Movie Night: The Story of Vernon and Irene Castle



Fred und Gingers letzter Film für RKO ist zugleich auch ihr ungewöhnlichster, denn The Story of Vernon and Irene Castle hat so gar nichts mit den eskapistischen musical comedies der Vorjahre zu tun. Nicht nur handelt es sich hier um eine Biographie, der Film hat auch - so viel sei verraten - kein Happy End. Ich würde ihn nicht einmal als Musical bezeichnen, auch wenn er voll von Musik ist. Es ist eher ein Tanzfilm - und die Geschichte einer großen Liebe.

Egal, was man von Vernon and Irene Castle hält, der Film hat mit Sicherheit eine der grandiosesten Kennenlern-Szenen der Filmgeschichte: Vernon Castle und Irene Foote treffen sich nämlich zum ersten Mal, als sie einen Hund aus dem Meer retten. Vernon ist da bereits Schauspieler, wenn auch bloß der Sidekick in mäßig unterhaltsamen Sketchen, während Irene nur von einer Bühnenkarriere träumt. Als Vernon bei ihr Zuhause seine Kleidung trocknen lässt, führt sie ihm im Clownskostüm die Nummer vom "Yama Yama Man" vor. Vernon ist nicht begeistert. Irene ist allerdings auch sehr enttäuscht, als sie bemerkt, dass Vernon nur den Komiker gibt und auf der Bühne von seinem Tanztalent nichts zu sehen ist. Die beiden tun sich schließlich zusammen, verlieben sich und heiraten. In New York will jedoch niemand ihre Tanznummern sehen. Aufgrund eines Missverständnisses landen die Castles in Paris, wo sie nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit schließlich auf die Managerin Maggie Sutton (Edna May Oliver) treffen, die ihnen einen Job im Café de Paris verschafft. Das tanzende Ehepaar wird dort schnell zur Sensation und auch in den USA lässt der Ruhm nicht lange auf sich warten. Doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus und Vernon, ein gebürtiger Engländer, meldet sich freiwillig als Pilot zum Royal Air Corps.

Als der Film 1939 erschien, war die Erinnerung an Vernon und Irene Castle noch lebendig. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg waren die beiden absolute Superstars in den USA, die solche Tänze wie Foxtrot oder Tango erst populär gemacht haben. Ihre Gesichter prangten auf Seifen, Hutschachteln und Zigarren. Irene Castle war eine Fashion-Ikone, die angeblich den Bob-Haarschnitt zum Trend machte. Sie agierte auch als Beraterin für Castle, der auf zwei Erinnerungen an ihren Mann basiert. Für sie kam nur Fred Astaire als Darsteller in Frage, der wiederum die Rolle nur allzu gerne annahm, da Vernon Castle ein großes Idol von ihm war. Mit Ginger Rogers kam Irene Castle hingegen gar nicht klar. Angeblich hätte sie lieber Vivien Leigh in der Rolle gesehen und es missfiel ihr, dass Rogers sich nicht die Haare dunkel färben und zum Bob schneiden lassen wollte. Zudem nahm sich der Film einige Freiheiten heraus. Der treue Diener Walter, der Vernon und Irene stets begeleitet, wurde von Walter Brennan gespielt, während der echte Walter Afroamerikaner war. Dass die Managerin der Castles offen homosexuell war, verschweigt der Film auch.

Nichtsdestotrotz ist Castle ein ziemliches gutes Biopic. Der Fokus liegt eher auf dem Kennenlernen und der künstlerischen Entwicklung der beiden, was wesentlich interessanter ist als ihr Ruhm, den Regisseur H.C. Potter und das Autorenteam um Oscar Hammerstein II relativ schnell abarbeiten. Es war auch genau die richtige Entscheidung, Rogers Irene Castle spielen zu lassen. Sie und Astaire haben nun einmal eine Chemie die ihresgleichen sucht, ganz abgesehen davon, dass sie einfach fantastische Tänzer sind. Zudem verkörpert Rogers absolut glaubhaft, wie sich Irene Castle vom naiven Arzttöchterchen zur Geschäftsfrau entwickelt. In der ersten Hälfte des Films ist Castle ziemlich komisch, was auch Walter Brennan zu verdanken ist, der Vernon zunächst nicht ausstehen kann, sich dann aber zum loyaler Begleiter, oder besser gesagt Freund, entwickelt. Mit seinen treffsicheren Bemerkungen sorgt er für diverse Pointen, die ihren Höhepunkt im Zusammenspiel mit der resoluten agierenden Edna May Oliver finden. Generell arbeitet der Film dafür, dass er gerade mal 93 Minuten lang ist, seine Charaktere ziemlich gut heraus. Auch das tragische Ende setzt er sehr gut, geradezu behutsam, um. Hier wird nichts überdramatisiert, dennoch war ich als Zuschauer so aufgewühlt, dass ich bei der finalen Szene ganz schön schlucken musste.

Als Fred-und-Ginger-Film hingegen ist Castle gewöhnungsbedürftig. Die Tänze sind gut, aber nicht so beeindruckend wie in den Vorgängern, was sicher auch daran liegen mag, dass sie nicht so prominent in Szene gesetzt werden, weil der Fokus nun mal auf der Geschichte liegt. Was aber wirklich fehlt, sind die Songs. Zwar singen Rogers und Astaire auch, aber jeder nur ein Lied. Der Soundtrack besteht aus den Schlagern des frühen 20. Jahrhunders, die wenig mit den Glanzleistungen von Komponisten wie Gershwin, Berlin oder Kern gemein haben. Und auch wenn Castle durchaus komisch ist und die Rollen von Brennan und Oliver den der typischen Fred-und-Ginger-Sidekicks ähneln handelt es sich hier immer noch um eine Tragödie, die alles andere als "carefree" ist. Wer hier ein klassisches Musical erwartet, wird also enttäuscht werden. Dennoch ist es interessant, Fred und Ginger mal in einem ernsten Film zu sehen. Castle erlaubt es ihnen zu zeigen, dass sie nicht nur singen und tanzen können, sondern wirklich gute und ernsthafte Schauspieler sind.

The Story of Vernon and Irene Castle war wie gesagt der letzte Film, den Astaire und Rogers für RKO gemacht haben. Beim Publikum kam das Duo nicht mehr so gut an wie in den Jahren zuvor und Ginger hatte es satt, immer nur als Fred Astaires Partnerin angesehen zu werden. Sie hatte ja bereits eine große schauspielerische Vielseitigkeit unter Beweis gestellt und sehnte sich nach ernsteren Rollen. Nicht einmal zwei Jahre später bekam sie dann auch den Oscar für Kitty Foyle. Auch Fred Astaire wollte sich weiterentwickeln. Auch wenn er hauptsächlich weiter Musicals drehte, arbeitete er mit verschiedenen Choreographen und verschiedenen Tanzpartnerinnen zusammen. Zehn Jahre später allerdings traten Fred und Ginger dann für MGM doch noch einmal für einen letzten gemeinsamen Film vor die Kamera. Mehr dazu beim nächsten Mal.

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