Books I've Read: Seth - It's a Good Life, If You Don't Weaken



Dieser Text gehört wohl in die Rubrik "Zufälle gibt's". Als 2002 Aimee Manns Album Lost in Space erschien, war ich nicht nur von der Musik begeistert, ich verliebte mich auch umgehend in die Illustrationen. Die Bilder versprühten einen nostalgischen Charme, wenn auch gepaart mit Einsamkeit, und der Cartoon im Booklet war melancholisch und brüllend komisch zugleich. Ich wollte mehr davon, doch der Text im Inneren verriet nur, dass das Artwork von einem gewissen Seth stammt. Über die nächste Jahre versuchte ich immer mal wieder mehr über ihn herauszufinden, jedoch ohne Erfolg. Irgendwann gab ich auf, aber jedes Mal, wenn ich das Album in die Hand nahm, dachte ich wieder: "Man, was für fantastische Illustrationen!"

Stellt euch nun meine Überraschung vor, als ich letzte Woche die Jubiläumsausgabe des Rolling Stone lese, in der unter anderem auch die besten Comics der letzten 20 Jahren aufgelistet sind, und dort folgendes Buch finde: It's a Good Life, If You Don't Weaken von - Seth! Natürlich habe ich mir das Buch umgehend bestellt, das glücklicherweise schnell und für kleines Geld zu bekommen war. It's a Good Life... erschien bereits Mitte der Neunzigerjahre als Serie in Seths Heftreihe Palookaville, bevor es 1996 auch in Buchform veröffentlicht wurde. Wie konnte das nur an mir vorbeigehen? Anyway. Mittlerweile ist es auch einfacher, ein bisschen über Seth herauszufinden, der 1962 als Gregory Gallant geboren wurde und im kanadischen Ontario lebt.

Ein weiterer Grund, warum ich It's a Good Life... sofort lesen musste, war die Geschichte, die einfach so gut dazu passt: In der Graphic Novel (oder der "picture novella", wie er sie nennt) entdeckt Seth, bzw. sein fiktionales Alter Ego, einen Cartoon von einem gewissen Kalo, der 1951 im New Yorker erschienen ist. Abgesehen davon scheint dieser Kalo jedoch kaum etwas veröffentlicht zu haben. Da ihn sein Stil so sehr beeindruckt, setzt Seth alles daran, mehr über diesen obskuren Cartoonisten zu erfahren. Dabei lernt der Leser auch den Autoren besser kennen: Dieser Seth lebt in der Vergangenheit; er trägt einen altmodischen Anzug mit Hut, idealisiert die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und Veränderungen sind ihm zuwider. Abgesehen von seiner Freundschaft zum Cartoonisten Chet ist er zu engen Bindungen nicht fähig und seine Familie besucht er vornehmlich aus nostalgischen Gründen, denn eigentlich nervt sein Bruder ihn ziemlich. Seth ist melancholisch, er grübelt ständig. Das einzige was ihn begeistert ist sein Kater Boris und natürlich Comics. Wenn Seth nicht gerade nach Kalo sucht, erzählt er von den Cartoons, die ihn beeinflusst haben - von heute unbekannten Illustratoren aus der Vorkriegszeit bis hinzu Giganten wie Hergé und natürlich Charles M. Schulz (der wahre Seth hat auch eine Peanuts-Gesamtausgabe illustriert).

It's a Good Life... ist kein Buch, in dem besonders viel passiert, sondern schon fast ein philosophisches Werk über den Umgang mit der Vergangenheit, die menschlichen Natur und das Leben an sich. Auch wenn Seth nicht gerade ein Sympathieträger allererster Güte ist, sind seine Gedanken doch stets intelligent und interessant. Das alles paart er natürlich mit wunderbaren Illustrationen. Ich bin wahrlich kein Experte auf dem Gebiet (dies ist erst meine zweite Graphic Novel nach Maus), aber ich finde es großartig, wie sich seine Liebe für das Vergangene in seinen Zeichnungen niederschlägt. Er benutzt nur weiß, schwarz und blau, aber wie er die Farben einsetzt und vor allem wie er mit Licht und Schatten spielt, das hat mich ein wenig an alte Noir-Filme erinnert. Was mir auch sehr gefällt ist, dass die Bilder oftmals ganz ohne Text auskommen und Seth Architektur und Landschaften dazu benutzt, seine Stimmung widerzuspiegeln.

Im Anhang finden sich übrigens einige vermeintliche Kalo-Comics. Seth setzt alles daran, die Geschichte so war wie möglich erscheinen zu lassen, auch wenn inzwischen herausgekommen ist, dass Kalo seine Erfindung ist. Ich hatte ja erwähnt, dass ich ein großer Fan von autobiographical fiction bin und finde, dass gerade in dieser Ungewissheit, in diesem Vermischen Wahrheit und Fiktion ein großer Reiz liegt, so auch hier. It's a Good Life, If You Don't Weaken ist eins von diesen Büchern, bei denen ich nicht wollte, dass sie jemals enden und als ich damit durch war, hätte ich am liebsten noch einmal von vorne angefangen. Ein in jeder Hinsicht herausragendes Werk.

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