North by Northeast: Mythical Creatures Are Here to Greet You

Erinnert ihr euch noch daran, dass ich vor einigen Wochen in den Urlaub gefahren bin? Ich kaum noch. Es war auch nicht geplant, dass das mit dem Aufschreiben so lange dauert, aber diese Alltagsverpflichtungen kommen einem einfach ständig dazwischen. Nun ja. Mal schauen, ob ich die Reihe bis zur nächsten Reise (ein Wochenende Den Haag im November) fertig bekomme.

Zum zweiten Tag gibt es auch gar nicht mal so viel zu sagen, weil ich einfach ziemlich viel Zeit mit laufen und weniger mit ansehen verbracht habe. Das fing damit an, dass ich zum "Lielie Kapi", dem "Großen Friedhof" im Nordosten der Stadt wollte. Laut einer Gruppe Locals, die einen an sich sehr guten Stadtplan erstellt haben, handelt es sich dabei um die lettische Version von Père Lachaise. Der Weg dorthin war jedoch weiter, als es zunächst aussah, und ich musste erst an unzähligen Erotikshops in diesem weniger schönen Teil der Stadt vorbei, bis ich endlich den Friedhof erreichte. Schlimmer noch, er hatte so gar nichts mit Père Lachaise gemein, außer dass dort vielleicht ein paar Prominente liegen. Er machte auf mich eher einen gewöhnlichen und vor allem ziemlich heruntergekommenen Eindruck.

 

Anschließend ging ich die Miera Iela entlang, da es sich dabei - ebenfalls laut Stadtplan - um ein eher alternativ geprägtes Viertel handeln soll. Allerdings war davon nicht viel zu erkennen; von der erwähnten Straßenkunst oder den ausgefallen Cafés und Shops fand ich jedenfalls nichts. Ich hatte aber auch keine große Lust, die Nebengassen zu erkunden, da die Straße generell eher unbeeindruckend war.

Ich machte mich daher direkt auf zu meinem nächsten Ziel: Rigas Jugendstil-Viertel, der berühmteste Distrikt nach der Altstadt. Aus unerfindlichen Gründen besitzt Riga ca. 750 Gebäude im Art-Nouveau-Stil, so viele wie keine andere Stadt. Bis ich dorthin kam, musste ich jedoch erst einmal durch ein großes, langweiliges Industriegebiet. Immerhin kam ich auch an einigen ganz beeindruckenden Boulevards vorbei, deren Gebäude allerdings eine Frischzellenkur vertragen könnten.

Das Jugendstil-Viertel konzentriert sich im Wesentlichen auf die Alberta iela, die Strelnieku iela und die Elizabetes iela. Fast jedes Gebäude dort hat dutzende von Figuren an den Fassaden und über den Hauseingängen, die meisten davon von der griechischen Mythologie inspiriert. Glücklich, wer in so einem Haus wohnen darf! Der berühmteste Jugendstil-Architekt in Riga war übrigens Mikhail Eisenstein, der Vater von Sergei. Es ist zu schade, dass heute nicht mehr so gebaut wird, aber das wäre wahrscheinlich auch unerschwinglich. Hier eine kleine Auswahl an Gebäuden:













Es gibt dort übrigens auch einen kleinen Shop, der diverse Artikel im Jugendstil anbietet, von Postkarten bis hinzu Geschirr. Da die meisten Sachen jedoch etwas teurer waren, kaufte ich mir nur eine Tragetasche (weil ich davon offensichtlicht noch nicht genug habe) und ein paar Buttons. Im Anschluss ging ich zur Esplanade, einem der vielen Parks in Riga, der abgesehen von einer riesigen orthodoxen Kirche jedoch nicht sehr außergewöhnlich ist. Fast interessanter als das Gotteshaus mit seinem goldenen Dach fand ich jedoch ein Paar, das in der Nähe von mir saß, da der Mann mich sehr an Solomon Barber erinnerte. Am allermeisten hat mich allerdings mein Mittagessen beeindruckt. Am Vortag hatte ich mir ein Beutel mit Teigbällchen namens Pīrādziņi gekauft. Ich dachte, dabei handele es sich um kleine Brötchen, als ich jedoch hineinbiss stellte ich fest, dass sie mit einer fleischhaltigen Mass gefüllt waren. Ich habe keine Ahnung, woraus diese Masse genau besteht, aber die Bällchen schmeckten sehr gut.



Und ein bisschen Straßenkunst habe ich dann doch noch gefunden:



Anschließend ging ich dann noch einmal in die Altstadt, da sich dort auch eine ganze Reihe Jugendstil-Gebäude befinden (vor allem in der Smilsu iela), die man bei der Vielzahl von beeindruckenden Gebäuden jedoch leicht übersehen kann:








Ich kam dann auch an einem von Rigas berühmtesten Gebäuden vorbei, dem Katzenhaus, das wie der Name vermuten lässt eine schwarze Katze auf dem Dach trägt. Angeblich war der Besitzer so wütend, dass er nicht in die gegenüberliegenden Kaufmannsgilde aufgenommen wurde, dass er eine Katze aufs Dach setze, die ihr Hinterteil der Gilde zuwandte. Es folgte einige Streitereien vor Gericht, bis der Hauseigentümer doch noch aufgenommen wurde und das Tier daraufhin in die andere Richtung drehte.



Da es leicht anfing zu regnen und ich generell ziemlich erschöpft war (der zweite Tag ist immer der Schlimmste) machte ich mich auf den Weg zurück ins Hostel, wo ich endlich den Babbitt beendete. Ein bisschen schade ist es schon, dass Sinclair Lewis trotz Nobelpreis heutzutage relativ unbekannt ist, denn Babbitt ist ein fantastische Satire auf die Mittelschicht mit ihrer ungebremsten Konsumsucht und dem Hang zur Konformität. Und auch wenn der Roman in den Zwanziger Jahren spielt, trifft vieles davon auch auf die heutige Zeit zu.

Nun denn, das nächste Mal geht dann raus in die Natur.

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