Movie Night: Inherit the Wind



Auch wenn es anders aussieht, ich habe in den letzten Wochen nicht nur Fred-and-Ginger-Filme geschaut. Tatsächlich habe ich sogar einige Filme gesehen (In Cold Blood, A Serious Man, Ragtime, Wag the Dog), hatte aber nicht die Zeit und Muße, darüber zu schreiben. Gestern habe ich mich Inherit the Wind von Stanley Kramer gewidmet. Ich war vor einiger Zeit zufällig darauf gestoßen, als ich H.L. Mencken gegoogelt habe, der in diesem Film von Gene Kelly verkörpert wird. Das allein hätte schon gereicht, mich zu ködern, aber als ich dann gesehen habe, dass es in Inherit the Wind um das berühmte "Monkey Trial" von 1925 geht, war ich endgültig Feuer und Flamme, denn das Thema hat mich zu Studienzeiten sehr interessiert.

The State of Tennesssee v. John Thomas Scopes, so der offizielle Prozessname, ist eine der berühmtesten Verhandlungen des amerikanischen Rechtsgeschichte. Scopes war angeklagt, Tennessees Butler Act verletzt zu haben, der das Unterrichten der Evolutionstheorie in Schulen verbietet. Wirklich große Aufmerksamkeit erregte der Prozess allerdings wegen seiner Anwälte: Auf Seiten der Anklage war dies William Jennings Bryan, ehemaliger Außenminister und dreimaliger demokratischer Präsidentschaftskandidat, während der berühmte Strafverteidiger Charles Darrow Scopes' Verteidigung übernahm. Darrows Honorar wurde teilweise von der Baltimore Sun übernommen, die ihr Enfant terrible H.L. Mencken für die Berichterstattung schickte, der wiederum den Begriff "Monkey Trial" prägte. Soweit die Vorgeschichte.

Inherit the Wind ist eine fiktionalisierte Version dieses Prozesses. Scopes heißt hier Bertram T. Cates (Dick York), der anders als in der Realität auch noch mit Rachel (Donna Anderson), der Tochter des Dorf-Reverends verlobt ist. Bryan ist Matthew Harrison Brady (Fredric March), Darrow heißt Henry Drummond (Spencer Tracy) und H.L. Mencken trägt hier den Namen E.K. Hornbeck, verkörpert wie gesagt von Gene Kelly. Der Film beginnt passenderweise mit dem Lied "Old-Time Religion", das immer wieder von den tiefreligiösen Bewohnern von Hillsboro gesungen wird. Diese feiern Matthew Harrison Brady wie den Messias höchstpersönlich, der gekommen ist, um den "Teufel Darwin" und seinen "scientism" endgültig zu vertreiben. Drummond hat da freilich einen schweren Stand. Kompliziert wird das ganze noch durch die Tatsache, dass er eng mit den Bradys befreundet war/ist und sogar an Bradys Kampagne mitgearbeitet hat. Hornbeck tritt hier in erster Linie als Zyniker vom Dienst auf, der genüsslich und mit viel Eloquenz seinen Spott über das "himmlische Hillsboro" ergießt. Der Prozess beginnt wenig vielversprechend: Nicht nur gibt es kein Jurymitglied, das ansatzweise mit der Evolutionstheorie sympathisiert oder auch nur weiß, was sie bedeutet, sondern der Richter erweckt auch immer wieder den Eindruck, parteiisch zu sein - so lehnt er zum Beispiel sämtliche Experten der Verteidigung ab. In seiner Not entschließt sich Drummond zu einem genialen Kunstgriff und lädt kurzerhand Brady selbst als Bibelexperten vor.

Auch wenn Inherit the Wind eindeutig mit Scopes sympathisiert, ist der Film keine pauschale Verdammung der Religion. Zwar handelt es sich beim Großteil der Dorfbewohner um reaktionäre Fundamentalisten, die Cates am liebsten lynchen würden, aber gerade Drummond ist sehr darum bemüht zu zeigen, dass die Bibel und Darwin nicht unversöhnlich sind. Der Film ist in erster Linie ein Plädoyer für geistige Freiheit verbunden mit der Aufforderung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und nicht alles als "gottgegeben" hinzunehmen. Dementsprechend lebt Inherit the Wind natürlich vor allem von seinem Dialogen und dem wortgewaltigen Schlagabtausch der beiden Hauptfiguren. Höhepunkt ist freilich Drummonds geniale Demontage von Brady im Zeugenstand, die sich ja tatsächlich in weiten Teilen so zugetragen hat. Dazwischen sorgen Hornbecks zynische Bemerkungen immer wieder für humoristische Auflockerungen.

Dies würde natürlich nicht halb so gut funktionieren, wenn Inherit the Wind nicht so großartige Schauspieler hätte, allen voran Tracy und March. Vor allem March' Wandlung vom stimmgewaltigen Anführer (und man, redet er laut) zum erschütterten Häufchen Elend ist so bewegend, dass man es manchmal kaum mitansehen kann. Tracy überzeugt sowohl als leidenschaftlicher Verfechter des menschlichen Verstandes als auch durch nachdenkliche Töne. Aber auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt, unter anderem mit Marchs Frau Florence Eldridge als Sara Brady, die zwischen allen Stühlen sitzt. Gene Kelly hier weder singend noch tanzend zu sehen ist natürlich ungewöhnlich, aber er gibt einen herrlich spitzzüngigen und selbstgefälligen Mencken ab. Daneben gefälllt mir vor allem der Sinn fürs Detail, etwa wenn Brady und Drummond zusammen auf der Veranda sitzen, aber ihre Schaukelstühle sich entgegengesetzt bewegen.

Fazit: Inherit the Wind ist ein packender Gerichtsfilm mit brillanten Dialogen und ebenso brillanten Darstellern. Und auch wenn er eigentlich als Parabel auf den McCarthyismus konzipiert ist, hat er nichts von seiner Aktualität verloren, denn der Kampf zwischen Wissenschaft und religiösem Fanatismus ist nach wie vor leider sehr lebendig. Inherit the Wind ist ein großartiger Film, aber vor allem ist er ein wichtiger Film.

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