Books I've Read: J.D. Salinger - Raise High the Roof Beam, Carpenters and Seymour: An Introduction

 

Wenngleich The Catcher in the Rye natürlich Salingers mit Abstand bekanntestes Werk ist, hat er doch häufiger (wenn man das so sagen kann angesichts der überschaubaren Zahl seiner Veröffentlichungen) über die Familie Glass geschrieben. Immer wieder widmete er den sieben Geschwistern Seymour, Buddy, Boo Boo, Walt, Waker, Zooey und Franny Kurzgeschichten und Novellen, darunter auch Raise High the Roof Beam, Carpenters und Seymour: An Introduction.

Meine erste Bekanntschaft mit der Glass-Familie macht ich an der Uni, als wir im Seminar die Salinger-Kurzgeschichte schlechthin lesen mussten: "A Perfect Day for Bananafish" - was ein nicht ganz unverstörendes Erlebnis war. Ich war fasziniert von der Erzählweise, irritiert von dem mysteriösen Bananenfisch und schockiert, als sich Seymour Glass am Ende der Geschichte eine Kugel in den Kopf schießt. Damit verrate ich nicht zuviel, denn Seymours Selbstmord ist quasi der rote Faden aller Glass-Geschichten (die ich bisher gelesen habe). Obwohl "Bananafish" einer der interessantesten Texte des gesamten Seminars war, habe ich erst vor gut zwei Jahren wieder etwas über die Glasses gelesen, als ich in einem Belfaster Antiquariat auf Franny and Zooey stieß. Und obwohl die Geschichten wiederum einen echten Nerv bei mir getroffen haben, habe ich erst jetzt Carpenters und Seymour gelesen.

Erzählt werden die Geschichten von Buddy Glass, dem Schriftsteller der Familie. Na gut, im Grunde werden auch die anderen Geschichten von Buddy erzählt, aber hier tritt er offen als Autor in Erscheinung. Beide Geschichten drehen sich jedoch um Seymour, der sich wiederum durch seine permanente Abwesenheit auszeichnet. In Raise High the Roof Beam, Carpenters reist der 23-jährige Buddy, der kurz vorher noch mit einer Ripppenfellentzündung in einem Armeekrankenhaus gelegen hat, zur Seymours Hochzeit nach New York. Allerdings sagt dieser die Trauung kurzfristig ab, sodass Buddy auf der Rückfahrt in einem Wagen mit Freunden der Braut landet, die sich ausufernd über Seymour beklagen, ohne zu wissen, dass Buddy sein Bruder ist. Seymour spielt 17 Jahre später und damit gut zehn Jahre nach dem oben erwähnten Suizid. Buddy, nun Englischprofessor an einem neuenglischen Mädchencollege, setzt sich in seinem abgelegenen Haus an seinen Schreibtisch und versucht, dem Leser seinen verstorbenen Bruder nahezubringen.

Obwohl die Novellen mit nur vier Jahren Abstand erschienen sind, unterscheiden sie sich stilistisch deutlich. Carpenters ist eine geradlinige Geschichte, die vor allem von den verschiedenen Charakteren, insbesondere der gehässigen Matron of Honor, lebt. Seymour ist, wenn man so will, ziemlich meta: Nicht nur versucht Buddy bewusst in einen Dialog mit dem Leser zu treten (der naturgemäß eher einseitig ausfällt), er berichtet auch um das ganze Drumherum während des Schreibens. Seymour ist Stream-of-Consciousness-artig geschrieben - oder wie Buddy selbst sagt, "in enchanting semi-diary form" - wobei er von einem Punkt zum anderen springt. Einmal geht es um Seymours Liebe zur asiatischen Poesie, dann wieder schreibt er en detail über diverse Körperteile, was alles irgendwie verschroben, aber oft auch sehr unterhaltsam ist. Wo liest man schon so herrliche Sätze wie "Hurrah. The nose is over. I'm going to bed."?

Ich kann gar nicht mal genau sagen, was nun den Reiz an Salinger ausmacht (wobei er natürlich sehr eloquent ist), aber die Glass-Geschichten sind für mich so befriedigend wie kaum ein anderes Stück Literatur. Zunächst einmal mag ich das Gesamtkonzept, dass wir hier nicht eine große, womöglich noch chronologisch aufgebaute Familiensaga haben, sondern dass die Figuren immer wieder auf verschiedenen Geschichten verstreut auftauchen. Außerdem sind sie mir sehr ans Herz gewachsen, auch wenn sie nicht unbedingt liebenswürdig sind. Ich mag diese hochbegabte, ziemlich neurotische Truppe mit ihrem Hang zur ausgeprägten Selbstbeobachtung. Auch wenn gerade Seymour sich stellenweise im Detail zu verlieren droht, handelt es sich bei beiden Geschichten um erstklassige und hochgeradig faszinierende Literatur. Wer diese Familie einmal in sein Leben lässt, wird sie nicht wieder los.

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