A Belgian Excursion: The House That Heaven Built

Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass man sie in Belgien braucht: Insektenspray. Tatsächlich wimmelte es im Hostelzimmer nur so von Mücken, die nicht nur meinen Schlaf störten, sondern auch nach meinem Blut trachteten (soviel zu der Theorie, dass man entweder von Zecken oder Mücken gestochen wird). Das führte dazu, dass irgendwer die Terassentür schloss, woraufhin es im Zimmer ungeheuer heiß und stickig wurde. Nichtsdestotrotz war ich nach etwa 10 Stunden Schlaf recht guter Dinge am nächsten Morgen. Das änderte sich jedoch, als ich frühstückte. Es gab Instantkaffee und Cornflakes (und Brot, wenn ich gewollt hätte), was ein sehr löbliches Angebot ist. Tatsächlich war das Angebot schon fast zu groß, denn als ich einen großen Löffel Cornflakes in meinen Mund schaufelte, stellte ich fest, dass ich keine Milch in die Schüssel gegeben hatte, sondern Buttermilch. Igitt! Zu allem Überfluss saß auch noch ein Australier mit mir am Tisch, gegenüber dem ich mir nicht die Blöße geben wollte, also tat ich so, als sei nichts gewesen. Wie konnte mir das nur schon wieder passieren? Hatte ich in Griechenland denn nicht gelernt, dass weiß und flüssig nicht unbedingt Milch bedeutet? Aber wer rechnet denn auch damit, dass ein Hostel Buttermilch im Kühlschrank hat? Normalerweise kann man ja schon froh sein, wenn es herkömmliche Milch gibt.

Wie erwähnt ging ich zunächst noch einmal zum Hauptbahnhof. Ohne Gepäck und ohne eine stundenlange Zugreise hinter mir zu haben gefiel mir das Gebäude gleich noch einmal besser. Ja, sogar mehr als das: Ich fühlte mich dort richtig wohl. Hätte man mir ein Zimmer angeboten, ich wäre sofort eingezogen. Der einzige Nachteil ist, dass sich in den letzten 46 Jahren doch einiges getan hat und der Salle des pas perdus, in dem Austerlitz und der Erzähler sich zum ersten Mal treffen, nicht mehr da ist, bzw. nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Überhaupt gibt es gar keinen Wartesaal mehr am Bahnhof, sondern nur eine geringe Anzahl an Bänken im Foyer und an den Gleisen. Auch hat man den Spruch Eendracht maakt macht ins Französische übersetzt: L'union fait(?) la force (ich nehme an, dass dort "fait" steht, obwohl das Wort vom Wappen verdeckt wird):



Ein Grund, warum das Foyer so klein wirkt, ist sicher die große Haupthalle. Während die gläserne Überdachung noch an alte Zeiten erinnert, sind die unteren Stockwerke alle sehr modern gehalten, und natürlich gibt es auch eine Reihe Geschäfte, wenn auch nicht so viele wie in, sagen wir mal, Leipzig. Überhaupt war es an diesem Vormittag ziemlich ruhig; viel ruhiger als ich es von anderen Bahnhöfen kannte.





Als ich auf den Astridplein hinaustrat und mich umsah, erblickte ich übrigens auch "den völlig mit Grünspan überzogenen Negerknaben, der mit seinem Dromedar als ein Denkmal der afrikanischen Tier- und Eingeborenenwelt hoch droben auf einem Erkerturm zur Linken der Bahnhofsfassade seit einem Jahrhundert allein gegen den flandrischen Himmel steht". Noch ein interessantes Relikt aus einer vergangenen Zeit, und ein starker Gegensatz zum sich zusehends modernisierenden Bahnhofsviertel mit dem riesigen Hotel gegenüber der Station und dem gleich dahinter liegenden Chinatown.



Ich wollte ins historische Zentrum, doch ich schaute nicht auf meinen Stadtplan sondern folgte einfach den Menschenmassen in Richtung Innenstadt. Ich kam unter anderem am Rosseveltplaats vorbei, unter dem ich mir irgendetwas großes oder bedeutendes vorgestellt hatte, nachdem ich den Namen zum ersten Mal gehört hatte, aber bei dem sich um nichts anderen handelte als um einen (ziemlich hässlichen) Busbahnhof. Überhaupt vereinigen sich in diesem Teil der Stadt prunkvolle, neoklassizistische Gebäude mit den schlimmsten Bausünden der Siebziger Jahre.



Irgendwann kam ich in der Meir an, Antwerpens großer Einkaufsstraße. Wesentlich beeindruckender als die Schaufenster fand ich allerdings die Gebäude selbst, die eigentlich viel zu prunkvoll waren um Telefonanbieter und Fast-Food-Restaurants zu beinhalten. Bei der Statue unten handelt es sich übrigens um Antony Van Dyck, einer der bekanntesten und bedeutendsten Maler seiner Zeit, der vor allem für seine Porträts geschätzt wird.


Ich bog in eine unscheinbare Seitengasse ab und während ich mir noch meinen Weg durch die dort parkenden Laster bahnte, erblickte ich plötzlich den Turm der Onze-Lieve-Vrouwekathedraal, der Liebfrauenkirche. Dass ich nicht laut "Wow!" gerufen habe war auch alles, denn der Turm ist wirklich sehr prächtig. Für eine Weile war ich tatsächlich so geblendet, dass ich kaum glauben konnte, dass die Kirche real ist. Der Lonely Planet hatte also nicht übertrieben, als er geschrieben hatte: "Wherever you wander in Antwerp, its gracious, 123m-high spire has a habit of popping unexpectedly into view and rarely fails to jolt a gasp of awe."



Die Gasse führte mich zum Groen Markt, der weder besonders grün noch speziell ist, mit Ausnahme der Statue von Peter Paul Rubens. Rubens ist Antwerpens größter Sohn, und es ist unmöglich ihm aus dem Weg zugehen, was ich aber auch gar nicht wollte (mehr dazu an anderer Stelle). Der Platz seiner Statue direkt vor der Liebfrauenkathedrale ist natürlich wie gemacht für Fotos:


Direkt dahinter liegt der Handschuhmarkt, wo Austerlitz und der Erzähler sich in einem Bistro getroffen haben. Dort befindet sich auch der Eingang in "de Kathedraal", wie die Belgier sie schlicht und ergreifend nennen.





Der Eintritt in die OLV kostete 5 Euro, aber, um es vorwegzunehmen, das war es wert. Ich habe ja schon einige prachtvolle Kirche gesehen, aber ich glaube, diese hier übertrifft sie alle. Selbst Hardcore-Atheisten dürfte es hier schwer fallen, nicht beeindruckt zu sein. Highlights sind natürlich die vier Bilder von Rubens, die sich dort befinden (im Moment sind es sogar fünf, da das Königliche Museum der Schönen Künste bedauerlicherweise geschlossen ist): Die Kreuzaufrichtung, Maria Himmelfahrt, Die Kreuzabnahme und Die Auferstehung von Christus. Gesehen habt ihr sie bestimmt alle schon einmal, aber wenn man dann vor dem Original steht, ist das noch ein ganzes Stück beeindruckender:




Genauso beeindruckt war ich jedoch von Cornelius Schuts Gemälde, das ebenfalls Maria Himmelfahrt heißt und sich in der 43 Meter hohen Vierungskuppel befindet. Durch die Perspektive, die Schut anwandte, sieht es so aus, als ob die Kuppel direkt in den Himmel führt. Wenn man dort hinaufschaut, dann kann einem schon ein bisschen anders werden:



Es ist schwer, dass Innere der Kathedrale zu beschreiben, weil es dort einfach so viel zu sehen gibt. Ich war über eine Stunde dort, aber ich bin sicher, dass ich vieles übersehen habe. Aber gerade weil sich so viele Kunstwerke auf engem Raum befinden, fühlt man sich einfach wie gelähmt, ja geradezu erschlagen. Hier noch eine kleine Auswahl:



Kaum dass ich die Kirche verlassen hatte, wartete schon die nächste Sensation auf mich: der Grote Markt. Von den Einheimischen wird er auch als Tourist Square bezeichnet, weil sich eben nur solche dort aufhalten, aber er ist auch wahrlich sehenswert. Im Zentrum steht das fast 450 Jahre alte Rathaus, und daneben zahlreiche mittelalterlich anmutenden Häuser sowie die Brabo-Statue. Es war zwar alles mit einer Tribüne zugebaut, die man aber immerhin hochsteigen konnte, was für einen ungewöhnlichen Blickwinkel sorgte:

 
 

Wow, wow, wow. Da hieß es erst einmal durchschnaufen. Nachdem ich zwei der Eierkuchen aus Rotterdam verspeist hatte, ging ich zur Touristeninfo. Ich hatte mich, wie der Erzähler, relativ spontan dafür entschieden, nach Fort Breendonk zu fahren, einem ehemaligen Konzentrationslager. Schon als ich zum ersten Mal Austerlitz gelesen hatte, hatte ich überlegt, es mir anzusehen, dachte aber, dass das nicht in einen Kurztrip unterzubringen sei. Nachdem ich die Stelle nun am Vortag erneut gelesen hatte, bemerkte ich, dass Breendonk gar nicht soweit weg ist, wie ich gedacht habe, sondern dass die Besichtigung durchaus innerhalb eines halben Tages zu schaffen ist. Also ging ich zur Information, um zu fragen, wie ich am besten dort hinkomme, da ich die Internetseite der Gedenkstätte nicht mit dem Handy aufrufen konnte. Die Dame am Schalter war ziemlich verdutzt, als ich sie danach fragte, denn offenbar hatte das noch nie jemand getan. Sie überschlug sich auch nicht gerade vor Hilfsbereitschaft, schaute aber für mich im Internet nach. Ich musste erst mit dem Zug nach Mechelen, und von dort mit dem Zug oder dem Bus nach Willebroek. Vom Bahnhof war es dann noch ein 20-minütiger Fußweg nach Breendonk. Kurz gesagt: es war alles so wie 1967. Wann die Züge fahren, das müsste ich selbst herausfinden, so die Dame. Na herzlichen Dank auch. Ist es nicht ihr Job, mir weiterzuhelfen? So fühlte ich mich nicht gerade schlauer nach dem Besuch.

Anmerkung: Da ich an den einzelnen Tagen doch recht viel erlebt habe, habe ich mich dafür entschlossen, die Einträge aufzusplitten. Im zweiten Teil dreht sich dann alles um Antwerpens Lebensader, die Schelde.

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