Project Ireland: Back to Belfast

Nach einer zweiten Nacht, in der ich den Dorm ganz für mich allein hatte (!), hieß es am Morgen Abschied nehmen von den Mourne Mountains. Das tat mir schon leid, besonders weil die Sonne schien und alle Gipfel zum ersten Mal seit meiner Ankunft vom Tal aus zu sehen waren. Natürlich freute ich mich auch auf Belfast, aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, noch ein bisschen länger zu bleiben. Die Gegend ist wirklich unglaublich schön und dazu noch vergleichsweise unberührt. Die Leute in Belfast haben wirklich Glück, dass sie so etwas fast vor der Haustür liegen haben.


Da ich um halb elf auschecken musste, nahm ich den Bus um 10: 45 Uhr nach Belfast. Auch wenn Newcastle an sich recht verschlafen ist, ist die Innenstadt immer vollkommen verstopft von Autos. Die Busfahrerin musste sich zwischen einem Auto und einem Leichenwagen durchschlängeln, was ihr mit Bravour gelungen ist, obwohl wirklich nur Millimeter zwischen den Außenspiegeln lagen. Auf der Landstraße war es dann einsamer. An fast jedem Mast, der am Straßenrand stand, waren Bibelzitate angebracht. Only in Ireland.

Um 12 fuhr ich dann zum dritten Mal auf meiner Reise am Europe Centre in Belfast ein. Für die letzten fünf Tage hatte ich mir ein anderes Hostel gesucht, das jedoch auch (wie alle anderen) in South Belfast lag, allerdings nicht ganz so weit von der Innenstadt entfernt wie das andere. Sie waren immer noch beim Housekeeping, als ich ankam, was mir ein bisschen unangenehm war, aber ich wollte unbedingt das Gepäck loswerden. Der Rezeptionist, ein Amerikaner, dessen Namen mir entfallen ist, führte mich herum, was mich ein bisschen an Derry erinnerte. Das Hostel selbst war, absehen von dem im Derry natürlich, das Schönste, in dem auf meiner Reise schlief. Der Speisesaal/ Gemeinschaftsraum war super gemütlich eingerichtet mit Sofas und Sitzsäcken, und es gab sogar einen Kamin. An den Wänden hingen überall coole Poster, die ich am liebsten geklaut hätte.

Zu meiner Überraschung lief plötzlich ein bekanntes Gesicht an mir vorbei: Sarah, die Österreicherin, die bei uns in Derry übernachtet hatte. Sie arbeitete jetzt in dem Hostel in Belfast und war ebenso erstaunt, mich wieder zu sehen. Zwar hatte sie erzählt, dass sie sich einen Job in Belfast suchen wollte, aber das wir uns jetzt wieder über den Weg liefen war schon ein lustiger Zufall. „Wow, wie lange arbeitest du jetzt schon hier?“, fragte ich verwundert. „Einen Monat,“ erwiderte sie, woraufhin wir uns beide erschrocken anstarrten. Ich fand als erstes meine Stimme wieder. „Ist das echt schon einen Monat her, dass du in Derry warst?“ Sie nickte. Irgendwie fühlte es sich für uns beide an, als ob es erst eine Woche hergewesen sei. „Ireland’s so small!“, warf der Amerikaner ein, und Sarah machte mit ihrer Arbeit weiter.

Mein Bett war in der Zwischenzeit fertig bezogen worden, sodass ich jetzt aufs Zimmer konnte. Da es im zweiten Stock lag, bot der Amerikaner mir an, meine Tasche zu tragen, aber ich lehnte ab. „Are you sure? It looks pretty heavy.“ Wie ich das nicht mehr hören konnte. „Yeah, no problem, I am used to that.“ „Okay, but call me if you need any help.“ Das Zimmer selbst war mit vier Stockbetten fast komplett ausgefüllt, aber immer hin waren die unteren Betten so hoch, dass man seine Sachen darunter verstauen konnte.

Nachdem ich ein Sandwich verdrückte, machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Für meinen ersten Nachmittag hatte ich nichts besonders geplant, zumal ich ja auch eigentlich fast alles in Belfast gesehen hatte. Ich ging in den Ormeau Park, einer der größten Parks der Stadt, der im Südosten liegt. Nach meinen Ausflügen nach East Belfast hatte ich mir immer vorgenommen, dort vorbeizuschauen, aber meine Füße hatten jedes Mal so geschmerzt, dass ich auf den Abstecher verzichtet hatte. Ausgeruht erschien mir der Weg aber gar nicht so weit, wie ich gedacht hatte. An sich ist es aber auch kein großer Verlust, wenn man Ormeau Park nicht besucht, denn die Grünanlage ist ziemlich gewöhnlich.


Stattdessen ging ich weiter Richtung Botanic Gardens. Dazwischen lag ein Viertel, dass durch und durch loyalistisch war und in dem ich auch zum ersten Mal die geballte rote Faust der UVF an einer Hauswand sah. Ich traute mich jedoch nicht, sie zu fotografieren, da überall Jugendliche in Trainingsanzügen herumstanden. Das erinnerte mich an The Fountain in Derry. Ich ging weiter zum Ulster Museum, wo ich ein paar Notizbücher kaufte. Ganz in der Nähe, gegenüber der Queen’s University, befindet sich ein Antiquariat, auf dessen Besuch ich mich schon die ganze Reise über gefreut hatte. Dort hatte ich meine Collected Poems of W.B. Yeats erstanden, sowie eine Taschenbucherstausgabe von Dannie Abses O. Jones, O. Jones, eins der witzigsten Bücher, die jemals geschrieben wurden. Der Laden war kleiner, als ich in Erinnerung hatte, aber gut sortiert. Ich suchte mir ein paar Bücher, die ich schon immer hatte lesen wollen und die so dünn waren, dass sie kaum etwas wogen – Franny and Zooey von J.D. Salinger und The Bellarosa Connection von Saul Bellow, dazu The Picture of Dorian Gray von Oscar Wilde. Das hatte ich noch nicht gelesen, aber zu Hause, sodass ich diese Ausgabe im Hostel zurücklassen konnte. Alle drei bekam ich für £5.70, da kann man nicht meckern.


Da ich schon einmal shoppen war, dachte ich, dass ich mich in der Innenstadt auch gleich nach Mitbringseln für die Familie umsehen kann. In dem Geschenkeshop in der Royal Avenue hatten sie jedoch nur Kitsch und auch die Sachen im Welcome Centre fand ich lahm und überteuert. Ich ging dann noch in die Linen Hall Library und las ein bisschen was über Yeats, bevor sie mal wieder viel zu früh schlossen.

So weit mein (dritter) erster Nachmittag in Belfast. Das nächste Mal dreht sich dann alles um spezielle kulturelle Eigenarten.

Kommentare

  1. Ah Dannie, wolltest Du in Belfast zum Powershopping ansetzen. Mh, ich glaube, das kannst Du nur in Antiquariaten oder auf dem Bücherflohmarkt. So wie ich Dich bisher kennen gelernt habe, ist Deine Begabung sonstiges Powershopping betreffend überschaubar. Liebe Grüße! Rudi

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen