TV Night: True Detective (Season 1)



Auch wenn man nach dem letzten Post wahrscheinlich den Eindruck bekommen hat, dass ich den ganzen Tag nur fernsehe, dem ist mitnichten so. Für True Detective etwa habe ich trotz seiner acht Folgen zwei Wochen gebraucht, was auch ein ziemliches Maß an Selbstbeherrschung erfordert hat. Die HBO-Serie war wahrscheinlich die meistgehypte Sendung des letzten Jahres und wurde mit Lob regelrecht überschüttet. Je mehr Bilder ich von ihr sah, desto interessierter wurde ich. Was mich besonders neugierig gemacht hat war, dass die Hauptrollen von Woody Harrelson und Matthew McConaughey gespielt werden. Verdammt große Namen für eine Serie und auch eine interessante Wahl, denn McConaughey hatte ich bis dahin eher mit weniger tiefgründigen Rollen in Verbindung gebracht.

McConaughey und Harrelson spielen in True Detective die beiden Polizisten Rustin "Rust" Cohle und Martin "Marty" Hart, die für die State CID in Louisiana arbeiten, beziehungsweise arbeiteten. Das Besondere: Die Geschichte wird in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt. Sie beginnt 1995, als Rust und Marty - erst seit wenigen Wochen Partner - zu einem Mordfall gerufen werden. Die Ex-Prostituierte Dora Lange wurde getötet und wie ein Ritualopfer drapiert, in Gebetsposition festgebunden und mit einer Krone samt Hirschgeweih auf dem Kopf. Um die Leiche herum finden die Ermittler kleine Gehäuse aus Ästen, die Vogelfallen ähneln. Die zweite Ebene der Geschichte verläuft parallel dazu im Jahr 2012: Jetzt werden Rust und Marty, beide nicht mehr Polizisten, von den Kommissaren Papania (Tory Kittles) und Gilbough (Michael Potts) getrennt interviewt. Die beiden wollen wissen, wie ihre Ex-Kollegen damals den Mord an Lange aufgeklärt haben. Schnell zeigt sich, dass es kürzlich einen ähnlichen Mord an der Küste Louisianas gegeben hat. Sollten Cohle und Hart damals den falschen, oder nicht alle, Täter erwischt haben?

Es geht aber nicht nur um den Fall, sondern auch um Rust und Marty selbst. Durch die Interviews ergibt sich, dass die beiden 2002 einen Streit hatten und seitdem nicht mehr miteinander gesprochen haben. Über mehrere Folgen hinweg zeigt sich schließlich, wie sich die Beziehung der beiden entwickelt und was zu ihrem Zerwürfnis geführt hat. Dabei wirken die beiden Figuren zunächst ziemlich klischeehaft: Kaputte Typen, die nur für ihren Job leben und privat nichts auf die Reihe kriegen - wie praktisch jeder Ermittler in der Fernsehlandschaft. Was die Charaktere jedoch ziemlich schnell von anderen Krimis abhebt ist die Dynamik, die zwischen ihnen herrscht. Auf den ersten Blick erscheinen Cohle und Hart als sehr unterschiedlich: Cohle ist ein Wrack seit dem Tod seiner Tochter und der Trennung von seiner Frau. Er hat Visionen durch die ganzen Drogen, die er konsumiert und philosophiert mit Vorliebe über die Sinnlosigkeit des Lebens und der menschlichen Existenz. Nichtsdestotrotz ist er ein genialer Cop, der wie kein anderer Zugang zu Gewalttätern findet. Marty erscheint zunächst wie der absolute Familienmensch mit seiner hübschen Frau Maggie (Michelle Monaghan) und seinen kleinen Töchtern, aber es zeigt sich schnell, dass er mit dem Familienleben nicht zurecht kommt. Er erwartet, dass die Familie für ihn da ist, gibt aber nichts zurück. Er betrügt seine Frau und bedroht seine Geliebte. Als Polizist ist Marty eher ein "Arbeiter", wenn man so will, denn während Rust Fachbücher wältzt, geht Marty pragmatischer an die Dinge heran. Während Cohle die größeren Zusammenhänge sucht, forscht Marty nach dem einen Puzzlestück, das das Bild erkennbar werden lässt. Und bei aller Unterschiedlichkeit, und obwohl sie sich fast die ganze Zeit nur beschimpfen: Es gibt etwas, das Rust und Marty verbindet, etwas das tiefer ist als all ihre anderen Beziehungen.

Jemand hat mal gesagt, dass der dritte Hauptdarsteller von True Detective die Küste Louisianas ist. Da ist sehr viel Wahres dran, denn die Geschichte wäre an einem anderen Ort so nicht denkbar. Die Gegend ist eine Mischung aus wildem Dschungel und trister Industrielandschaft, die Menschen sind geprägt von Armut, Gewalt, Religion, Ignoranz und Alkohol. Eine raue Gegend, in der Frauen und Kinder verschwinden ohne dass jemand wirklich Notiz davon nimmt, in der der Mangel an Bildung und die Omnipräsenz der Religion in einer Art Voodoo münden. Eine Gegend, die - so scheint es - fernab jener Zivilisation liegt, eine Gegend, die von der Zeit vergessen wurde. Dass diese Landschaft so lebendig wirkt, liegt auch an der hervorragenden Kameraarbeit. True Detective ist sicher einer der am besten und schönsten fotografierten Serien der jüngeren Fernsehgeschichte.

Das Besondere an True Detective ist, dass die Staffel von einem Autor, Nic Pizzolatto, geschrieben, und von einem Regisseur, Cary Joji Fukunaga, inszeniert wurde. Pizzolatto ist selbst in der Gegend aufgewachsen und kennt das Milieu genau, während Fukunaga genau weiß, wie man es in Szene setzen muss. Eins der Highlights ist ein mehrminütiger Raubüberfall in Episode 4, der in einem Take gefilmt wurde, sodass man als Zuschauer das Gefühl hat, direkt an Cohles Seite zu sein. Die ganze Staffel wirkt unglaublich durchgeplant und ist von einem Detailreichtum, der eigentlich mehrere Durchgänge für jede Folge erfordert, wenn man alles erfassen will. Daneben gibt es immer wieder interessante Kniffs wie der "unreliable narrator", wenn das, was Marty und Rust 2012 erzählen, nicht mit den Bildern von 1995 übereinstimmt. Komplettiert wird das Ganze durch die atmosphärische Musik von T Bone Burnett.

Trotz des vergleichsweise geringen Erzähltempos ist True Detective geradezu nervenzerreißend spannend (und auch verdammt unheimlich). Am besten gefallen mir jedoch die Hauptfiguren. Rust und Marty sind keine gute Menschen, aber sie stehen auf der richtigen Seite. Die Leistung von McConaughey und Harrelson ist dabei absolut fantastisch: Sie sind und sie bleiben Cohle und Hart, die über den Zeitraum von 17 Jahren sowohl innerlich als auch äußerlich eine deutliche Entwicklung durchmachen. Außerdem haben sie eine großartige Chemie, was sicher auch daran liegt, dass sie im wahren Leben befreundet sind. Auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt, unter anderem mit Shea Whigham und Glenn Fleshler. Da ist es fast ein wenig schade, dass die Geschichte auserzählt ist und Staffel 2 ein neues Cast und ein neues Setting haben wird.

Fazit: True Detective ist eine großartige Serie mit einer cleveren Erzählweise, faszinierenden Figuren, erstklassigen Darstellern und einer so betörenden wie beängstigenden Landschaft. Southern Gothic für das Fernsehen des 21. Jahrhunderts. Ich freue mich schon auf die zweite Staffel, auch wenn ich im Moment nicht weiß, wie Pizzolatto das toppen will.


Kommentare