My Own Private Odyssey: A Hungry Heart

So, die Reise ist vorbei, nun folgt die Rekapitulation. Zunächst einmal hatte ich im Vorfeld feststellen müssen, dass sich die einzelnen Fluglinien nicht gerade mit Angeboten überschlagen, zumindest nicht was das griechische Festland betrifft. Die einzige Linie, die einen relativ günstigen Flug von einem Flughafen in nicht allzu großer Entfernung anbot, was Germanwings, was bedeutete, dass ich zur Abwechslung einmal nicht von Amsterdam, sondern von Köln/Bonn abflog. Tatsächlich ist es günstiger, mit dem Zug in die Niederlande zu fahren, aber auf dem Hinweg hatte ich das Glück, dass ich den Hamburg-Köln-Express nehmen konnte, der dreimal am Tag fährt und nur etwa halb so viel (!) für ein Ticket nimmt wie die Deutsche Bahn, deren Preise die Grenze zur Unverschämtheit ja schon lange überschritten haben.

Auch wenn die griechischen Inseln sicher die beliebtesten Ziele bei Touristen sind, war ich doch überrascht, wie wenig Flüge es nach Athen gibt. Auch Germanwings fliegt nur einmal die Woche, und dann ausgerechnet auf einem Samstagabend. Interessanterweise fliegen sie aber von Thessaloniki jeden Tag nach Köln, und meist auch noch am Vormittag, was natürlich wesentlich angenehmer ist. Immerhin hatte ich so viel Zeit, um nach Köln zu kommen. Der HKX gefiel mir insgesamt wirklich gut: die Züge sind vielleicht nicht ganz so modern wie bei der DB, aber absolut ausreichend, das Personal ist freundlich und wir fuhren pünktlich ab. Und die Platzreservierung war kostenlos! Ich saß in einem Abteil mit einem Mann, einer Frau und einer Mutter mit Baby. Das war ganz unterhaltsam, da der kleine Junge vollkommen fasziniert war von allem, was um ihn herum passierte und gar nicht so recht wusste, wo er zuerst und zuletzt hingucken sollte. Als wir durch den Tunnel fuhren bekam er sogar richtig große Augen. Leider verließen die beiden bereits kurz darauf den Zug, sodass ich mich meinem Buch zuwandte, Kurzgeschichten von William Carlos Williams, da ich die Strecke mittlerweile doch schon einige Male gefahren bin und sie nicht mehr so interessant für mich ist.

Etwas aufregender wurde es erst kurz vor Köln, als der Mann einen Anruf erhielt. An sich nichts besonderes, hätte er das Gespräch nicht mit einem Laut angekommen, der verdächtig einer Katze ähnelt. Das schlug Borowskis "Ich höre" doch um Längen. Der gute Mann versuchte mit seiner Freundin zu telefonieren, doch leider machte die schlechte Verbindung ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Das Gespräch klang ungefähr wie folgt: "Miau. Hallo? Schatz? Ich kann dich nicht hören. Jetzt höre ich dich. Jetzt höre ich dich nicht. Schatzi? Scha-hatzi? Das Netz ist zum Kotzen! [schmatzende Kussgeräusche]"

Als wir in Köln ankamen, hatten wir eine Verspätung von 15 Minuten angesammelt, sodass ich die S-Bahn, die hatte nehmen wollen, verpasste. Das war eigentlich ziemlich egal, ich war nur überrascht, dass anscheinend nur zwei Bahnen pro Stunde zum Flughafen fahren, aber okay. Das Einchecken verlief problemlos, nur bei der Gepäckkontrolle wirkten sie ziemlich übel gelaunt. Was mich wiederum nervte, war das alte Problem mit den Getränken. Da wir erst um 22:35 Uhr in Athen ankamen, konnte ich dort nichts mehr zu trinken kaufen, aber da ich nicht die ganze Nacht dürsten wollte, musste mir was am Flughafen besorgen und ganze 5.80€ für zwei 0,5-Liter-Flaschen Wasser abdrücken. Grrr! Zu allem Überfluss kam der Flieger dann auch nicht rechtzeitig in Köln an, sodass wir mit einer guten halben Stunde Verspätung starteten. An sich hätte mir das nichts ausgemacht, aber ich wollte unbedingt mit der U-Bahn in die Stadt, und die fährt nun mal nicht bis in die Puppen.

Mit dem Abheben des Flugzeugs wuchs auch langsam meine Aufregung. In den Wochen zuvor hatte ich mich wirklich urlaubsreif gefühlt. Nicht, dass ich Entspannung brauchte - eher das Gegenteil. Ich war so angeödet vom Alltag, dass ich dringend einen Tapetenwechsel nötig hatte. Ich wollte was Neues sehen, ich wollte fremde Gebieten erkunden. Um es mit Springsteen zu formulieren: "Hey baby, I'm just about starving tonight! I'm dying for some action!"

Ansonsten war der Flug, glücklicherweise, unspektakulär. Mein Tarif beinhaltete sogar ein Getränk und einen Snack, was bei einer Flugzeit von zweieinhalb Stunden ganz angenehm war, aber ich war trotzdem froh, dass ich noch das Wasser und eine Stulle hatte. Es war übrigens ganz richtig gewesen, schon in Deutschland etwas zu kaufen, denn als wir in Athen angekamen, hatten bereits sämtliche Geschäfte am Flughafen geschlossen. Während ich nervös auf die Uhr und das Gepäckband starrte, geriet ein älteres Paar neben mir in einen Streit. Er wollte trotz Gehbehinderung die Koffer vom Band heben, was sie ihm verbot. "Jetzt hör mal auf, mich wie einen Invaliden zu behandeln!", giftete er, während sie zur der Frau, die neben ihr stand, sagte: "Er will einfach nicht einsehen, dass er keine 20 mehr ist!" Die umstehenden Leute inklusive mir sahen peinlich berührt auf ihre Schuhe, bis der Mann schließlich sagte: "Keine Sorge, wir feiern im August goldene Hochzeit!" Am Ende hob sie die Koffer vom Band, während er ein Taxi bestellte und den Gepäckwagen holte.

Ich war ganz froh, dass meine Tasche als eine der ersten herauskam, denn die letzte U-Bahn fuhr um 23:33 und ich wollte auf keinen Fall den Bus nehmen müssen, da dieser länger braucht und ich vom Zentrum eh mit der Metro zum Hostel fahren musste. Als ich meine Tasche hatte, war es bereits 23:20, sodass ich zusammen mit einem deutschen Pärchen zur U-Bahn-Haltestelle gerannt bin, die einige Minuten vom Terminal entfernt liegt. Kaum dass wir eingestiegen waren, fuhr die Bahn auch schon los. Doch aus der Erleichterung, die Metro noch erreicht zu haben, wurde sehr bald Furcht, da wir feststellen mussten, dass es im gesamten Zug keinen Fahrkartenautomaten gab. Oh man! Jetzt war ich noch nicht einmal eine halbe Stunde in Griechenland und schon unabsichtlich straffällig geworden! Meine Panik verstärkte sich noch als ich sah, dass die Strafe das 20-fache des Ticketpreises betrug, also 160 Euro.

So rutschte ich wie auch das deutsche Pärchen unruhig auf meinem Sitz hin und her und betete, dass wir endlich den Syntagma-Platz erreichten, doch die einzelne Stationen schienen unendlich weit voneinander entfernt. Ein junger Mann neben mir sprach mich an, der, wie könnte es anders sein, aus Australien stammte, genauer gesagt aus Sydney. Er war sehr nett, aber mir fiel es echt schwer, mich zu unterhalten, da ich solche Angst hatte, erwischt zu werden. "Are you on a break from school or uni?", fragte er. School or uni! Schmeichler. "No, from work, actually", erwiderte ich. "Work?! How old are you?" "Um, twenty-seven." "Really! I thought you were younger!" "Yeah, everybody thinks so." Ich finde es wirklich ganz erstaunlich, dass die meisten Leute mich auf Anfang Zwanzig schätzen.

Von Athen bekam ich nicht viel zu sehen, da draußen tiefschwarze Nacht herrschte, doch dann fuhr der Zug plötzlich an einem Auto vorbei, das lichterloh in Flammen stand. "Wow, did you just see that?!", rief der Aussie aufgeregt. Ich konnte nur nicken. Welcome to Greece.

Ich war kurz davor, den Boden zu küssen, als wir nach ungefähr einer Dreiviertelstunde endlich am Syntagma-Platz ankamen. Das Pärchen und ich atmeten erst einmal tief durch, weil wir nicht kontrolliert worden waren. Sie machten sich auf die Suche nach ihrem Hotel, während ich einen Fahrschein für 1,40€ kaufte und mit einer anderen Linie die drei Stationen zu meinem Hostel fuhr. Die Metro ist wirklich ein bequemer Weg, ins Zentrum zu kommen, da sie alle Stationen auch auf Englisch ansagen. Man muss halt nur wissen, dass das Ticket am Bahnsteig gekauft werden muss.

Als ich in an der Haltestelle Metaxourghio ausstieg, kamen mir für einen Moment Zweifel, ob ich tatsächlich in Athen bin. Die Häuser waren so heruntergekommen, dass man meinen könnte, man sei in Beirut oder so. Na gut, dachte ich mir, warten wir erstmal das Tageslicht ab. Ich wollte auch einfach nur ins Hostel, aber das war ich gar nicht so einfach, wie ich geglaubt hatte. Laut Plan musste ich nur die nächste Straße rechts nehmen, die den leicht zu merkenden Namen Victor Hugo trug. Na ja, tragen sollte, doch sie hieß anders. Ich lief also etwas hilflos umher, da es nur wenige Häuserecken gab, an denen Straßenschilder angebracht waren, die dann oft auch noch ziemlich verblasst waren. "Victor Hugo?" fragte ich einen Mann, der draußen vor einem Café saß, aber er zuckte nur mit den Achseln. Nach der Konsultation eines weiteren Plans dämmerte mir jedoch, dass es sich nicht um die nächste, sondern um die Straße handelte, die sich, wenn man aus der Station kommt, direkt rechts befindet. Nach drei Blocks oder so kam ich dann auch endlich am Hostel an.

An der Rezeption saß ein alter Mann, der ganz gut gelaunt schien und sogar ein bisschen deutsch sprach. Er wollte nicht einmal Geld von mir, sondern meinte, dass ich auch in den nächsten Tage bezahlen könnte und drückte mir den Schlüssel in die Hand, mit dem Hinweis "Elevator!" Da die Zimmernummer mit einer fünf begann schlussfolgerte ich mal, dass das Zimmer im fünften Stock lag und bestieg den alten, engen, müffelnden Aufzug. Als ich den Raum schließlich betrat, hatte ich nur einen Gedanken: "Schlicht. Sehr schlicht." Dort stand, von einer Schrankwand mit Schließfächern mal abgesehen, nicht außer zwei Stockbetten. Die Bettlaken der unteren beiden waren zerwühlt, sodass ich wohl oder übel das oberste Bett bezog, das höchstens 80cm breit war und noch nicht einmal Gitter an den Seiten hatte. Uff.

Das war jedoch nichts im Vergleich zum Badezimmer. Der Mülleimer dort quoll über, was nicht ganz so schlimm wäre, wenn man in Griechenland das Toilettenpapier im Klo herunterspülen könnte. Ja, ihr habt richtig gehört, man muss das benutzte Klopapier im Müll entsorgen. Ich hatte im Lonely Planet gelesen, dass die griechischen Rohre nichts durchlassen, das größer als eine Briefmarke ist, aber zu diesem Zeitpunkt schon wieder verdrängt. So etwas hatte ich bisher nur in Israel erlebt, und dort auch nur in einer Kirche. Interessant war auch, dass es sich bei der Spülung um eine Spirale handelte, die unter einem boilerähnlichen Ding angebracht war und die man nach oben drücken musste. Griechische Spülungen können sich aber auch traditionell an der Wand befinden, oder als Pedal auf dem Fußboden. Die Dusche war auch nicht viel besser: die Duschkopfhalterung war kaputt, sodass man das Ding die ganze Zeit in der Hand halten musste. Man konnte es nämlich nicht einfach so abstellen, da die Dusche erst nach Minuten auf das Umstellen der Regler reagiert und es Ewigkeiten brauchte, eine gemäßigte Temperatur zu erreichen. Dass das ganze Bad auch äußerlich völlig heruntergekommen war, spielte da nur eine Nebenrolle.

Um halb zwei fiel ich schießlich halbtot ins Bett. Ich fragte mich, was mich an meinem ersten richtigen Tag wohl alles erwarten würde, bevor ich im Reich der Träume versank.

Kommentare

  1. Hallo and welcome back!

    Ja das mit dem Toilettenpapier weiß ich - ist auch auf Korfu so gewesen. Zu meiner Überraschung aber nicht auf Zypern, oder sie haben in dem Hotel schon mal den weltweiten Standard eingeführt. Und das mit den Fahrkartenautomaten ist auch im ganzen Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV) so - Du mußt die Fahrkarte immer vor der Fahrt an der Haltestelle im Automaten kaufen. Nur manche Busse verkaufen Fahrkarten beim Fahrer, aber keine U-Bahn, Strassenbahn oder S-Bahn hat im Zug Automaten. Liebe neugierige Grüße, was Du sonst noch gesehen und erlebt hast! Rudi

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