TV Night: Better Call Saul (Season 2)



Eine meiner Lieblingsserien im letzten Jahr und überhaupt war/ist Better Call Saul. Wir erinnern uns: In dem Breaking Bad-Spin Off widmen sich die Autoren Vince Gilligan und Peter Gould dem Vorleben von Saul Goodman - als er noch nicht Saul Goodman war, sondern Jimmy McGill hieß. Am Ende der ersten Staffel sah es allerdings bereits so aus, als ob die Verwandlung nahezu vollzogen ist. Nachdem Jimmy (Bob Odenkirk) erfahren hat, dass sein älterer Bruder Chuck (Michael McKean) alles daran gesetzt hat, seine Karriere als Anwalt zu sabotieren, schienen alle Pläne, ein halbwegs ehrliches Leben zu führen, zunichte gemacht. Jimmy zog es in seine alte Heimat Cicero, Illinois, wo er abermals als Slippin' Jimmy die Leute übers Ohr haute.

Zu Beginn der zweiten Staffel lernen wir allerdings, dass die Entwicklung keinesfalls soweit voran geschritten ist, wie wir geglaubt haben - auch wenn Jimmy weniger bereit ist, den geborenen Trickbetrüger in sich zu verleugnen. Dass er seinen moralischen Kompass noch nicht gänzlich verloren hat, ist in erster Linie einer Person zu verdanken: Kim Wexler (Rhea Seehorn). In der ersten Staffel war Kim noch vor allem Jimmys beste Freundin, doch in der zweiten Staffel steigt sie zur dritten Hauptfigur auf - für mich die schönste Entwicklung von allen. Kim ist inzwischen mein liebste weibliche Fernsehfigur geworden, einfach weil sie so echt ist. Kim ist gleichzeitig fasziniert und entsetzt von Jimmys Talent für Hochstaplerei, sie versucht, ihn auf den rechten Weg zu führen, aber manchmal kann sie einfach nicht anders, als als sein Partner in Crime zu agieren. Kim ist ehrgeizig, aber sie will nicht um jeden Preis Karriere machen - schon gar nicht möchte sie, dass Jimmy ihr mir irgendwelchen Tricks weiterhilft. Wie sie ihm das klar macht, ist einer der stärksten Szenen überhaupt in der Serie: "You don't save me. I save me." Rhea Seehorn zeigt auf brillante Weise, wie stark und wie verletzlich Kim ist.

Während Jimmys Verwandlung zu Saul also auf sich warten lässt, gibt es eine Figur, die sich mitten im Prozess des Breaking Bad befindet: Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks). Schon in der letzten Staffel hat Mike mit kleinen, illegalen Tricks versucht, Geld für seine Schwiegertochter und seine Enkelin zu verdienen. In dieser Staffel gerät Mike immer weiter in den kriminellen Sumpf, Nacho Varga (Michael Mando) sei Dank. Dennoch hat auch Mike noch einen moralischen Kompass, aufrecht erhalten durch den Tod seinen Sohnes, der von korrupten Polizeikollegen ermordet wurde. Immer wieder muss er jedoch feststellen, dass ein halb-kriminelles Dasein nicht funktioniert. Mikes kontinuerliche Weigerung, den Abzug zu betätigen, bringt ihn nur noch mehr in Schwierigkeiten.

Ein weiterer großer Fokus der Serie liegt auf der gestörten Bruderbeziehung von Chuck und Jimmy. Wer gedacht hatte, dass diese mit Chucks Verrat zu Ende erzählt ist, hat sich getäuscht: Es fängt gerade erst richtig an. In der zweiten Staffel erfährt man immer mehr darüber, warum die beiden Brüder so ein schwieriges Verhältnis haben - und warum Chuck sich so von seinem kleinen Bruder bedroht fühlt. Der ältere McGill sieht sich gerne als moralische Instanz, doch der Neid auf seinen Bruder treibt Chuck immer wieder zu fragwürdigen Handlungen. Bei Jimmy ist es genau andersherum: Obwohl sein großer Bruder ihm das Leben so schwer macht, holt er auch immer wieder das Beste aus ihm heraus. Jimmy fühlt sich immer noch für seinen kranken Bruder verantwortlich, so sehr es ihm auch missfällt.

In der zweiten Staffel wird noch einmal mehr deutlich, was für eine eigenständige Serie Better Call Saul ist. Die Action von Breaking Bad sucht man hier vergeblich. Better Call Saul zelebriert seine Langsamkeit geradezu, und doch ist die Serie unglaublich fesselnd. Ich zumindest kenne keine andere Show, die mit einem Zahlendreher und einem Besuch im Copy-Shop eine derart nervenzerrende Spannung erzeugt. Was sie mit Breaking Bad jedoch gemeinsam hat, ist die Vorliebe für Symbolik. Immer wieder sind es die kleine Dinge, die zur Charakterisierung beitragen, etwa wenn Jimmy vergeblich versucht, den Kaffeebecher, den Kim ihm geschenkt hat, in den Getränkehalter seines schicken Firmenwagens zu pressen. Technisch setzt die zweite Staffel noch mal einen drauf: In "Rebecca" und "Inflatable" zeigen sich die Macher als Meister der Montage und erfassen in gut einer Minute, was Kim und Jimmy wirklich ausmacht.

Ich bin unglaublich froh, dass sich Better Call Saul so viel Zeit nimmt. Zwar sehen wir in der zweiten Staffel einige alte Bekannte wieder (allerdings nur Nebenfiguren), aber ansonsten ist Jimmy McGill immer noch ziemlich weit entfernt davon, zu (dem vergleichweise eindimensionalen) Saul Goodman zu mutieren. Ich hoffe, dass es noch so lange so bleibt, denn Better Call Saul ist ein in jeder Hinsicht erstklassiges Stück Fernsehen, das uns hoffentlich noch lange begleiten wird.

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