TV Night: Fargo (Season 2)



Eine meiner liebsten Serien aus dem letzten Jahr war die erste Staffel von Fargo, die von dem gleichnamigem Film der Coen-Brüder inspiriert ist, von der Geschichte her aber nichts mit ihm zu tun hat. Gemeinsam haben sie allerdings das Setting in Minnesota und North Dakota sowie den schwarzen Humor und die skurrilen Charaktere. Ich habe mich wahnsinnig auf die zweite Staffel gefreut, hatte ich aber auch Bedenken, gerade weil die erste Staffel so gut war. True Detective hatte schließlich auch eine beeindruckende erste Staffel, während die zweite ziemlich zu wünschen übrig ließ.

Auch bei Fargo handelt es sich um eine Anthologie, anders als bei True Detective sind die beiden Staffeln aber durchaus miteinander verbunden. Hauptfigur ist der junge Lou Solverson (Patrick Wilson), Vater von Molly, der Heldin aus der ersten Staffel. Dort hat Lou immer wieder das mysteriöse "Massaker von Sioux Falls" erwähnt, dessen Vorgeschichte Kreateur Noah Hawley nun in der zweiten Staffel erzählt. Dafür führt er uns nach Luverne, Minnesota, in das Jahr 1979 (wir erinnern uns: Staffel 1 spielte in Bemidji, Minnesota im Jahr 2006). Lou ist hier noch ein junger State Trooper, der als Soldat in Vietnam gekämpft hat, Molly ist sechs Jahre alt. Auch Lous Frau Betsy (Christina Milioti) lernen wir kennen, die zu diesem Zeitpunkt bereits an Krebs erkrankt ist. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater, Sheriff Hank Larsson (Ted Danson) muss Lou einen Dreifach-Mord in einem Diner aufklären. Zunächst sieht es nach einem Raubüberfall aus, doch dann müssen die beiden Polizisten erkennen, dass etwas viel Größeres dahintersteckt.

Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt schon, wer der Mörder ist: Rye Gerhardt (Kieran Culkin), jüngster von drei Söhnen der Gerhardt-Familie, einer Mobstersippe aus Fargo, die den nördlichen Mittleren Westen kontrolliert. Nachdem Patriarch Otto einen Schlaganfall erleidet, übernimmt die Mutter Floyd (Jean Smart) den Thron - zum Missfallen des ältesten Sohnes Dodd (Jeffrey Donovan), einem Frauen hassenden Schläger. Der zweite Sohn Bear (Angus Sampson) möchte derweil Dodd am liebsten beiseite schaffen. Angestellter des Gerhardt-Clans ist der Native American Hanzee Dent (Zahn McClarnon), der im Verlauf der Serie eine immer größere Bedeutung einnimmt. Was die Familie kurzfristig zusammenschweißt, ist ein Syndikat aus Kansas City, dass den Einflussbereich der Gerhardts übernehmen will. Dieses schickt den eloquenten Vollstrecker Mike Milligan (Bokeem Woodbine) sowie die sprachlosen Kitchen-Brüder nach Fargo, damit sie die Gerhardts aus dem Weg räumen.

Und dann ist da noch Kosmetikerin Peggy Blumquist (Kirsten Dunst), die davon träumt, ihrem langweiligen Leben zu entfliehen und sich selbst zu verwirklichen. Auf dem Weg nach Hause erwischt sie Rye Gerhardt mit dem Auto, als dieser gerade das Diner verlässt, in dem er drei Menschen umgebracht hat. Anstatt die Polizei zu rufen, fährt Peggy mit dem verletzten Rye nach Hause - zur Überraschung ihres Ehemanns Ed (Jesse Plemons), einem gutmütigen Metzger. Die beiden erkennen nicht einmal ansatzweise, wie tief sie in der Scheiße stecken.

Man kann schon sehen, dass Fargo ein großes Netz an Charakteren spinnt, die alle irgendwo miteinander verbunden sind. Lou, wie auch sein Schwiegervater und Molly in der ersten Staffel, sind die Stimme der Vernunft, während es sich bei den anderen um mehr oder weniger schräge Typen handelt. Dabei wird geradezu überdeutlich, wie sehr Fargo True Detective überlegen ist: Während Pizzolatto in Staffel 2 unter der Last seiner vielen Handlungsstränge zusammen bricht und man als Zuschauer größte Schwierigkeiten hat, zu verstehen, warum es geht, hält Hawley geradezu meisterhaft alle Fäden in der Hand. Bei Fargo behält man stets den Überblick, obwohl es deutlich mehr Figuren gibt es als in der ersten Staffel und manche Plot-Elemente etwas, na ja, gewöhnungsbedürftig sind (ich sage nur UFO). Hawleys Figuren sind allesamt so eigensinnig, dass sie praktisch unvergesslich sind. Hinzukommt, dass die schauspielerische Leistung einfach gigantisch ist. Sei es Dunst als durchgeknallte Kosmetikerin, Woodbine als charmanter Gangster, McClarnon als Killer mit unklaren Absichten oder Wilson und Danson als Polizisten mit Herz und Verstand - die Darsteller sind einfach atemberaubend. Selbst Nick Offerman (Nick fucking Offerman!), der eine - leider - nur kleine Rolle als gutherziger Alkoholiker mit Hang zu Verschwörungstheorien hat, legt in "Rhinoceros" die wohl beste Performance seiner Karriere ab. Ergänzt wird dies durch tolle Gastauftritte wie von Bruce Campbell, der als Hohlbirne Ronald Reagan glänzt.

Fargo 2 hat aber nicht nur mehr Figuren als Fargo 1, es hat von allem mehr: Die Geschichte ist ausgefeilter, die Verbrechen sind brutaler, der Humor ist schwärzer. Anfangs fiel es mir ja schwer zu glauben, dass man Staffel 1 noch toppen kann, aber hier habe ich wirklich bei jeder Folge mit offenem Mund dagesessen und mich gefragt, wie es möglich ist, dass eine Fernsehserie so dermaßen gut sein kann. Die Antwort ist, dass Fargo einfach in jeder Hinsicht überdurchschnittlich ist. Selbst die Songsauswahl ist fantastisch und die Kameraarbeit einfach atemberaubend. Ich habe selten eine Serie gesehen, die so klar und farbenprächtig gefilmt ist. Daneben macht Fargo einfach wahnsinnig Spaß, weil Hawley mit Freude zahlreiche Coen-Referenzen einbaut. Es macht auch überhaupt nichts, dass der Zuschauer schon weiß, dass die Staffel auf ein kolossales Massaker hinausläuft, denn das finale Abschlachten hat - wie die gesamte Staffel - erstaunliche Überraschungen zu bieten. Dabei bleibt Fargo sich immer selbst treu: Es gibt nicht nur zahlreiche Querverweise zur ersten Staffel, es ist immer noch im Wesentlichen die Geschichte guter Menschen, die gezwungen sind, sich mit dem Bösen in der Welt auseinanderzusetzen, auch wenn es nicht zu verstehen ist.

Dankenswerterweise hat FX Fargo bereits für eine dritte Staffel erneuert. Bisher ist nur klar, dass sie 2010 spielen wird und keine Hauptfigur aus Staffel 1 darin zu sehen sein wird. Dennoch soll es einige Verbindungen zu anderen Folgen geben. Ich bin schon sehr gespannt darauf, auch wenn es sehr schwierig sein wird, sich bis zum Ausstrahlungstermin im Frühjahr 2017 (!) zu gedulden. Bis dahin freue ich mich aber schon, mir die beiden ersten Staffeln erneut anzusehen und auf all die Details zu achten, die mir bisher entgangen sind. Inzwischen habe ich auch keine Zweifel daran, dass die dritte Staffel von Fargo wieder ein großartiges Stück Fernsehen sein wird.

Fazit: Eine Sternstunde des Fernsehens. Besser geht's nicht.

Kommentare