TV Night: The Americans



Auch wenn ich in den vergangenen Wochen, oder eher Monaten, nicht viel Zeit für den Blog hatte, habe ich es immerhin geschafft, hin und wieder eine Folge von The Americans zu schauen. Im "goldenen Zeitalters des Fernsehens" gibt es so viele Serien, die in der Diskussion stehen beziehungsweise regelrecht gehypt werden, doch The Americans ist seltsamerweise nie darunter. Dabei finde ich sie von ihrer Thematik so interessant wie kaum ein andere Serie, denn The Americans befasst sich mit dem Kalten Krieg. Die Serie beginnt 1981, kurz nach Amtseinführung Ronald Reagans. Philip (Matthew Rhys) und Elizabeth Jennings (Keri Russell) leben in einem Washingtoner Vorort mit ihren beiden Kindern, der 13-jährigen Paige (Holly Taylor) und dem neunjährigen Henry (Keidrich Sellati). Eine ganz normale Familie - scheinbar. Denn Philip und Elizabeth sind Spione des KGB. Die beiden haben ihre russischen Identitäten vollkommen hinter sich gelassen, um als so genannte "Illegals" undercover in den USA zu leben. Obwohl sie verheiratet sind, wissen Philip und Elizabeth nichts von dem Leben des anderen, das dieser bis zum Zeitpunkt ihrer arrangierten Ehe geführt hat. Sie dürfen nicht einmal Russisch sprechen, damit niemand je auf den Gedanken kommt, dass sie für die Sowjetunion spionieren.

Als ob das alles nicht schwer genug wäre, verkomplizieren sich die Dinge noch weiter, als FBI-Agent Stan Beeman (Noah Emmerich) mit seiner Familie nebenan einzieht. Nachdem Beeman jahrelang selbst undercover unter white supremacists gelebt hat, arbeitet er nun ausgerechnet in der Spionageabwehr. Der sich verschärfende Konflikt mit der Sowjetunion führt dazu, dass sowohl Stan als auch die Jenningses immer riskantere Operationen durchführen müssen. Das ist mitunter aber gar nicht gegen den Kalten Krieg zu Hause, denn beide Seite haben große Probleme, ihren Beruf und ihre Ehe unter einen Hut zu bekommen.

Obwohl es sich hier um eine US-Serie handelt, sind die Rollen von Gut und Böse alles andere als klar verteilt, im Gegenteil. Politisch betrachtet verbrechen beide Länder so abscheuliche Taten, das man sie nur verurteilen kann. Die einzelnen Charaktere hingegen sind sehr komplex. Obwohl er für das FBI, die vermeintlich Guten, arbeitet, kann Stan Beeman ein richtiges Arschloch sein, während Philip und Elizabeth nicht (nur) kaltblütige Spione, sondern auch besorgte Eltern sind. Dazu kommen eine ganze Reihe interessanter Nebenfiguren, wie Nina (Annet Mahendru), die für die sowjetische Botschaft arbeitet und gezwungen wird, für die Amerikaner zu spionieren, Martha (Alison Wright), die im FBI als Sekretärin arbeitet und der Philip die große Liebe vorspielt, oder Claudia (Margo Martindale), die undurchsichtige Vorgesetzte von Philip und Elizabeth, von der man nie wirklich weiß, was sie im Schilde führt.

Was The Americans weiterhin auszeichnet, ist die Realitätsnähe. Urheber Joe Weisberg hat selbst für die CIA gearbeitet und ist daher mit Spionage gut vertraut. Auch wenn manche Dinge abgewandelt sind, hat sich vieles in The Americans so zugetragen. So gab es tatsächlich ein Illegals-Programm von seiten Russlands (wenn auch im frühen 21. Jahrhundert) und sowjetische Spione sind Beziehungen zu Amerikanerinnen eingegangen, um an Informationen zu kommen. Dass Weisberg mit dem Business so vertraut ist, zeigt sich auch darin, dass Spionage hier alles andere als glamourös daher kommt, sondern eine ziemlich schmutzige Angelegenheit ist. James Bond könnte nicht weiter davon entfernt sein. Philip und Elizabeth töten sehr viele Menschen, von denen nicht wenige einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Wer allerdings Action-geladene Unterhaltung erwartet, der wird enttäuscht werden. Zwar geht es manchmal äußerst brutal zur Sache, doch in erster Linie ist The Americans eine Charakterstudie. Weisberg hat sogar gesagt, dass es keine Serie über Spionage oder den Kalten Krieg ist, sondern eine Serie über die Ehe. Immer wieder geraten Philip und Elizabeth aneinander, immer wieder sind die dazu gezwungen, trotzdem miteinander auskommen. Denn während Elizabeth eine beinharte Kommunistin ist, die für ihr Vaterland alles tun würde, ist Philip zunehmend desillusioniert von den Methoden des KGB. Ganz abgesehen davon, dass er dem American Way of Life so einiges abgewinnen kann. Auch Stans Loyalität gerät immer mehr ins Wanken, je enger seiner Beziehung zu Nina wird.

The Americans wäre dennoch nicht halb so packend, wenn die Schauspieler nicht durch die Bank erste Klasse wären, allen voran Rhys und Russell. Die beiden müssen ja nicht nur Philip und Elizabeth selbst spielen, sondern auch Philip und Elizabeth, wie sie eine Vielzahl anderer Rollen einnehmen. Das gilt auch für Annet Mahendru, die die Rolle der Doppelagentin Nina so überzeugend spielt, dass man nie weiß, mit wem sie nun ehrlich ist und wem sie was vormacht. Daneben haben alle Schauspieler die Fähigkeit, die inneren Konflikte ihrer Figuren sichtbar zu machen, auch wenn diese nicht ausgesprochen werden, oder ausgesprochen werden können.

Es gibt einer Menge guter Fernsehserien da draußen, aber The Americans ist schon etwas Besonderes. Spontan fällt mir, mit Ausnahme von The Wire vielleicht, keine Dramaserie ein, die über drei Staffeln hinweg durchgängig so ein hohes Niveau hat. Ein Reviewer hat bei Folge 3.10 gesagt, dass diese die schlechteste Episode von allen sei und ein B+ vergeben. Auch wenn das sicher scherzhaft gemeint war, ist auch etwas Wahres daran. Manchmal hat The Americans das Problem, das Figuren, die für Philip und Elizabeth sehr wichtig sind, sehr plötzlich eingeführt werden und diese Bedeutsamkeit mühselig mit Flashbacks verdeutlicht werden muss, aber abgesehen davon fällt mir keine Schwäche ein. The Americans ist ein faszinierendes Stück Fernsehen mit komplexen Figuren, das trotz seinem Mut zur Langsamkeit hochgradig spannend ist.

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