Movie Night: Carefree



Endlich, endlich, hatte ich mal wieder Zeit für einen Fred-and-Ginger-Film. Ich mag gar nicht daran denken, dass so langsam Endspurt ist, aber Carefree von 1938 war der erste Astaire-Rogers-Film, der an den Kinokassen keinen Gewinn machte und damit das Ende der Partnerschaft einläutete. Auf jeden Fall ist Carefree einer der eher ungewöhnlichen Fred-and-Ginger Filme, da er nur vier Tanznummern beinhaltet. Eine Comedy with music statt einer Musical Comedy, um es mit Ava Astaire McKenzie zu sagen.

Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass Astaire hier keinen professionellen Sänger und Tänzer spielt, sondern den Psychoanalytiker Dr. Tony Flagg - der allerdings im College über eine Karriere als Tänzer nachgedacht hat, das muss schon sein. Tony bekommt eines Tages Besuch von seinem alten Studienkollegen Steve Arden (Ralph Bellamy). Dessen Freundin, die Radiosängerin Amanda Cooper (Rogers) kann sich einfach nicht dazu durchringen, ihn zu heiraten. Ob Tony sie nicht einmal analysieren kann? Flagg ist zunächst wenig begeistert, doch als er Amanda sieht, ist er gleich hin und weg - und das obwohl er sie kurz zuvor als "one of those dizzy, silly, maladjusted females who can't make up their mind and probably haven't got any" beschrieben hatte. Auch Amanda ist gleich Feuer und Flamme für Tony - bis sie seine oben erwähnte Notiz zu hören bekommt. Sie schmollt, aber die beiden vertragen sich wieder und Amanda erklärt dem verdutzten Tony sogar ihre Liebe. Per Hypnose (!) redet Tony Amanda ein, dass sie nicht ihn, sondern Steve liebt, nur um kurz darauf festzustellen, dass er doch in Amanda verliebt ist. Wird es ihm gelingen, ihr Unterbewusstsein erneut umzupolen?

Wer auch nur ansatzweise mit Psychologie zut tun hat, wird bei diesem Plot wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Jemand hat mal vermutet, dass einer der Autoren irgendwo etwas über Psychoanalyse gelesen und sein ganzes Pseudo-Wissen in dieses Drehbuch gesteckt hat, was nicht ganz abwegig sein dürfte. Aber auch wenn die Narkosen und Hypnosen, die Amanda so durchläuft, himmelschreiend abstrus sind, erlauben sie es Rogers doch, ihr großartiges Slapstick-Talent voll auszuleben. Es macht einfach Spaß, Amanda zuzusehen, wie sie völlig zugedröhnt bzw. hypnotisiert allen möglichen Unsinn anstellt, bis hin zu einem Amoklauf auf dem Tontaubenschießplatz (natürlich ohne Verletzte). 

Das zweite große Problem von Carefree ist, dass es trotz seiner Anlehnung an die Screwball-Komödien seiner Zeit über wenig screwball-artige Dialoge verfügt. Die Unterhaltungen zwischen Astaire und Rogers sind viel zu zahm, das war bei Roberta oder Follow the Fleet besser, oder kurz gesagt allen Filmen, in denen die beiden sich ungehindert aufziehen dürfen. Bei Carefree hingegen ist Astaire völlig unterfordert. Bei den Songs scheint sein komisches Talent durch, aber ansonsten gibt das Drehbuch dem armen Mann einfach nichts zu tun. Auch Bellamy könnte wesentlich mehr, doch seine Figur bleibt eindimensional und langweilig. Dafür bekommen die Nebendarsteller hin und wieder Gelegenheit zu glänzen, vor allem Luella Gear als trockenhumorige Tante Cora und Jack Carson als Flaggs rechte Hand Connors, der noch weiß, wie man einen Telefonstreich aufzieht. Das alles bedeutet jedoch nicht, dass Carefree völlig unlustig ist: Es gibt immer noch viele unterhaltsame Momente und eine nette Schlusspointe.

Bleibt die Musik, die hier erneut von Irving Berlin stammt. Obwohl die Verantwortlichen (mindestens) zwei Lieder herausgestrichen haben, darunter den Titelsong, sind nur zwei der vier restlichen Songs wirklich Klasse. "Since They Turned Loch Lomond Into Swing" ist ein nettes Instrumentalstück, das dem Zuschauer jedoch eher in Erinnerung bleibt, weil Astaire hier Tanz und Golfspiel kombiniert. Es hat zweieinhalb Tage gedauert, die Nummer zu filmen, bei der ausnahmsweise mehrere Takes zusammengeschnitten wurden. "I Used to Be Color Blind" hingegen ist wirklich charmant. Im Film singt Astaire das Lied für Rogers während einer Traumsequenz, was nach sieben Filmen endlich in den ersten Leinwandkuss der beiden mündet. Ursprünglich sollte die Nummer in Technicolor gefilmt werden, was natürlich sehr gut gepasste hätte, doch leider fehlte RKO dazu das Geld. Dafür tanzen Fred und Ginger in Zeitlupe, was es einem erlaubt, ihre Schritte genauer zu verfolgen.

Der große Schwachpunkt des Films ist "The Yam", den selbst Astaire so schlecht fand, dass er das Singen Rogers überließ. Songs über Tänze wirken immer etwas einfallslos, wie man schon bei "The Carioca" und "The Continental" gesehen hat. Abgemildert wird das ganze durch die famose Choreographie, bei der Fred und Ginger über Tisch und Bänke (bzw. Sessel) tanzen und dabei so eine Freude ausstrahlen, dass es einfach wahnsinnig Spaß macht, ihnen zuzusehen. Der musikalische Höhepunkt ist freilich "Change Partners", einer meiner absoluten Berlin-Favoriten. Astaires gesangliche Interpretation ist sein bester Moment des gesamten Films, in dem er zwischen Sehnsucht und Schmelmerei schwankt. Der anschließende Hypnose-Tanz mit Rogers ist zwar unfreiwillig komisch, doch ändert das nichts an der unnachahmlichen Anmut des Duos und der Großartigkeit des Songs. "Change Partners" ist dann auch der Titel, der für den Oscar nominiert wurde und als einziger der vier zum Standard wurde.

Fazit: Psychologen sollte um Carefree wohl besser einen Bogen machen, allen anderen würde ich ihn jedoch durchaus empfehlen. Trotz seiner Schwächen handelt es sich hier um einen vergnüglichen Film, der etwas zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist - was leider dazu führt, dass er nur in unterdurchschnittlicher Bild- und Tonqualität und mit einigen fehlerhaften Schnitten erhältlich ist. Da ich keinen Trailer finden konnte, gibt es oben stattdessen das wunderbare "Change Partners", das allein den Film schon sehenswert macht.

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