The Month in Review

My, my, worüber hätte ich in den letzten Wochen alles schreiben können, hätte ich nur die Zeit gehabt. Egal. Ein paar Dinge möchte ich trotzdem erwähnen:

Movie Night I: Ich bin fast im Quadrat gesprungen vor Freude als ich gesehen habe, dass Netflix die Dokumentation Life Itself im Angebot hat, schließlich dreht sie sich um everybody's favorite film critic Roger Ebert, der vor gut zwei Jahre verstorben ist. Ebert und seine Frau Chaz haben die Dokumentation untersützt, wobei Ebert die Fertigstellung traurigerweise nicht mehr erlebt hat. Regisseur Steve James begleitete das Paar, als es Eberts Krebsdiagnose erhielt, was nicht gerade leicht mitanzusehen ist. Außerdem bietet James Interviews mit allerlei Weggefährten Eberts, darunter auch Werner Herzog und Martin Scorsese, und Ausschnitte aus Eberts und Gene Siskels Fernsehsendung. Das Ergebnis ist ein warmer und intelligenter Film über eine streitbaren, aber liebenswerten Menschen, der die Filmkritik beeinflusst hat wie wohl kein anderer. Es ist aber genauso ein Film über die Magie des Kinos und über die Liebe, die selbst die größten Hindernisse und den Tod überdauern kann. Thumbs up!



Movie Night II: Ruffles und ich waren im Kino, um uns 10 Milliarden von Valentin Thurn anzusehen. Hinter dem Titel steckt die Frage, wie man die Weltbevölkerung ernähren kann, wenn diese auf zehn Milliarden anwachsen sollte. In seinem Film diskutiert Thurn verschiedene Möglichkeiten, von genverändertem Saatgut über Laborfleisch bis hinzu Urban Gardening. Dabei positioniert Thurn sich eindeutig als Kritiker der Konzerne. Tatsächlich ist erschreckend zu sehen, wie Großbetriebe in Afrika Kleinbauern von ihrem Land vertreiben, wie an der Börse mit Nahrungsmitteln spekuliert oder wie Indien die Massenschlachtung von Hühnern als Fortschritt gefeiert wird. Gleichzeitig verbreitet er aber auch Hoffnung, wenn er zeigt, dass Kleinbauern in Entwicklungsländern oftmals einen viel höheren Ertrag produzieren als die Landwirtschaftsriesen, weil sie flexibler reagieren können, oder dass neue Konzepte in Europa wie community-supported agriculture an Zulauf gewinnen. Wie auch immer man zu den verschiedenen Ansätzen steht, 10 Milliarden ist ein sehr nachdenkenswerter Film. Bei der anschließenden Diskussionrunde im Kino brachte Thurn übrigens noch frittierte Heuschrecken mit. In machen Ländern wird dies ja als Nahrungsmittel der Zunkuft gehandelt, aber hierzulande wird sich das kaum durchsetzen, meint der Regisseur. Das kann ich verstehen, denn ich mochte sie nicht essen!



Movie Night III: Als Jugendliche war ich eine zeitlang sehr fixiert auf Francois Truffaut, habe aber nie seine Antoine-Doinel-Filme gesehen (damals war man ja noch sehr vom Fernsehen abhängig). Jetzt hatte ich aber endlich die Gelegenheit, mir sein Debüt Sie küssten und sie schlugen ihn anzusehen, der gleichzeitig der Auftakt der fünfteiligen Reihe über die semi-autobiografische Figur Doinel ist. Der Film zeigt, wie der jugendliche Antoine im Paris der Fünfzigerjahre immer wieder in Schwierigkeiten gerät. Seine Eltern wollen ihn nicht wirklich haben und in der Schule hat er Probleme, sodass er lieber ins Kino geht oder Unsinn mit seinem besten Freund René anstellt. In dem episodenartigen Film gelingt es Truffaut wunderbar, die Natur der Kindheit einzufangen. Sie küssten und sie schlugen ihn ist voller Sympathie für seine Hauptfigur und zeigt, wie Erwachsene Kindern die Schuld für ihr eigenes Versagen geben, was auch heute ja leider keine Seltenheit ist. Ein warmer und amüsanter und trauriger und vor allem sehr menschlicher Film.


Auch gesehen:

Ziemlich beste Freunde (als wahrscheinlich letzte Person auf Erden): Herzerwärmende französische Komödie über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem Ex-Kriminellen Franko-Afrikaner aus armen Verhältnissen und einem querschnittsgelähmten Millionär.

Thor: Die Geschichte wird hier wie erwartet auf dem Altar der Action geopfert, aber dank der guten Schauspieler (darunter Natalie Portman, Anthony Hopkins und Idris Elba) kann man sich das zwischendurch mal antun.



TV Night: Zunächst war ich ja skeptisch, was Unbreakable Kimmy Schmidt betrifft, da es auf mich fast wie ein Abklatsch von Don't Trust the B- in Apt 23 wirkte: Landei aus Indiana kommt nach New York und lernt durch extrovertierten Mitbewohner mit Hang zum Betrug wie das Leben in der Großstadt läuft. Der große Unterschied: Kimmy Schmidt wurde von einem Sektenguru 15 Jahre lang in einem Bunker gefangen gehalten. Das ist nicht gerade Sitcom-Stoff, doch trotz des ernsten Themas gelingt den Autoren Tina Fey und Robert Carlock ein brüllend komische Serie mit herrlichen Figuren, darunter der stockschwule Möchtergern-Musical-Darsteller und Kimmys Mitbewohner Titus (Tituss Burgess), die Althippie-Vermieterin Lilian (Carol Kane), die verlorene Millionärsgattin Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski) und ihre nervige, falsch verstandene Teenager-Stieftochter Xanthippe (Dylan Gelula). Alle Schauspieler sind großartig, aber die Krönung ist Ellie Kemper als Kimmy Schmidt, die ihre verlorene Jugend aufholt und gleichzeitig lernen muss, mit ihrem Trauma umzugehen. Bonuspunkte gibt es für diverse illustre Gaststars wie Kiernan Shipka (!), Dean Norris (!) oder Jon Hamm (!!!).




Books I've Read I: In Die Stumme erweckt Chahdortt Djavann den Eindruck, eine wahre Geschichte zu erzählen. Angeblich handelt es sich bei der Novelle um die Tagebuchaufzeichnungen der 15-jährigen Fatemeh, die in einem Iraner Gefängnis auf ihre Hinrichtung wartet. Wahr oder nicht, Djavann erzählt auf eindringliche Art und Weise, wie tief Misogynie in der iranischen Gesellschaft verwurzelt ist. "Die Stumme", Fatemehs Tante, ist eine Außenseiterin, nicht nur weil sie nicht sprechen kann, sondern vor allem weil sie kein Kopftuch trägt und sich auch sonst ziemlich vielen Konventionen widersetzt - wofür am Ende auch Fatemeh büßen muss. Auch wenn das Buch stilistisch eher schlicht ist, handelt es sich um ein erschreckendes Porträt einer Gesellschaft, in der die Religion die Bildung ersetzt hat und in der Frauen absolut nichts wert sind.


Books I've Read II: Vor langer Zeit habe ich an der Uni mal zwei von J.D. Salingers Nine Stories gelesen: "A Perfect Day for Bananafish", die Salingerstory schlechthin, und "The Laughing Man". Mit einigen Jahren Verspätung habe ich mich jetzt dem kompletten Buch angenommen. Interessanterweise konnte ich mit "The Laughing Man" wesentlich mehr anfangen als damals, während ich "Bananafish" immer noch so rätselhaft wie faszinierend finde. Mit "Uncle Wiggily in Connecticut" und "Down at the Dinghy" sind noch zwei weitere Geschichten über die von mir sehr geliebte Glass-Familie mit dabei, mein Favorit ist aber "For Esmé - with Love and Squalor", in der Salinger als einer der ersten Autoren das psychische Leid von Soldaten im Zweiten Weltkrieg aufgriff. Die Stories haben durchweg faszinierende Figuren, die Salinger primär durch Dialoge entwickelt. Die einzige Geschichte mit der ich nicht so viel anfangen konnte ist "Teddy", weil die Figur eines zehnjährigen Wunderkinds in fernöstlicher Philosophie einfach zu unglaubwürdig ist. Davon angesehen ist Nine Stories aber eine Sammlung von in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Kurzgeschichten.

Books I've Read III: Graham Greenes Das Herz aller Dinge ist ein Buch, dessen Titel mich schon vor langer Zeit angesprochen hat - was mich jedoch nicht davon abgehalten hat, es jahrelang ungelesen im Regal stehen zu lassen, bis jetzt. Greene erzählt darin die Geschichte von Henry Scobie, der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als Polizist im (ungenannten) Sierra Leone lebt und in ein moralisches Dilemma gerät. Wie bei Evelyn Waugh nimmt der Katholizismus hier eine bedeutende Rolle ein, woran man sich erst einmal gewöhnen muss. Was es einem ebenfalls nicht leicht macht ist, dass die Figuren durch die Bank unsympathisch sind. Doch während manche einfach nur nerven wie Scobies Frau Louise, sind andere, wie der syrische Diamantenschmuggler Yusef, durchaus faszinierend. Dennoch konnte ich das Buch nur schwer aus der Hand legen, was vor allem an dem außergewöhnlichen Setting liegt. Greene war selbst als Agent in Sierra Leone tätig und beschreibt die koloniale Gesellschaft dort aus eigener Erfahrung - eine Ansammlung lauter frustierter Menschen, die am liebsten irgendwo anders wären. Seine größter Triumph aber ist es, dass Scobies Seelenqualen, die im wesentlichen seiner Religion geschuldet sind, auch heute noch nachvollziehbar wirken - ein wenig zumindest.

Records of the Week: Viel Musik habe ich nicht gehört, aber empfehlen kann ich Darling Arithmetic von Villagers und High on Tulsa Heat von John Moreland.


Kommentare