Books I've Read: David McCullough - The Wright Brothers

 

Aus unerfindlichen Gründen habe ich eine Schwäche für abenteuerliche Personen des frühen 20. Jahrhunderts, unter ihnen auch die Gebrüder Wright. Als ich daher neulich in der LRB eine Kritik über David McCulloughs Biographie The Wright Brothers gelesen habe (die der Autor einer Biographie über Elon Musk gegenüberstellte), stand es für mich außer Frage, dass ich sie umgehend lesen muss. Bisher habe ich die Wrights, wenn man so will, immer nur aus der Ferne respektiert. Dass zwei Brüder allein so eine bedeutende Erfindung wie das Flugzeug gemacht haben, fand ich immer bemerkenswert. Höchste Zeit also, mehr darüber zu erfahren.

Wilbur und Orville Wright wurden 1867 bzw. 1871 geboren. Ihr Vater Milton war ein Prediger in der United Brethren Church und zog viel umher; seine Familie ließ sich schließlich in Dayton, Ohio nieder. Wilbur und Orville waren übrigens nicht die einzigen Brüder: Milton Wright und seine Frau Susan hatten noch zwei ältere Söhne, Reuchlin und Lorin, sowie eine Tochter namens Katharine, die drei Jahre jünger war als Orville. Trotz seiner Priesterschaft muss Milton Wright ein sehr offener Mensch gewesen sein, der seine Kinder stets zum Lesen anregte und ihren Wissendurst unterstützte und förderte. Eines Tages brachte er Wilbur und Orville von einer seiner Reisen eine Art Mini-"Helikopter" zum Spielen mit, den sich so lange gebrauchten, bis er kaputt ging. Anschließend bauten sie sich einen neuen. Diese kleine Geschichte sei der Auslöser für ihr Interesse an der Luftfahrt gewesen, sagten die Wright-Brüder später. Gleichzeitig ist sie ein Hinweis auf das handwerkliche Geschick der beiden und ihr Verständnis für Technik.

Zunächst deutete wenig daraufhin, dass die Brüder eines Tages eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte machen würden. Wilbur war ein guter Schüler und sollte sogar nach Yale gehen, doch als er 18 war, schlug ihm ein Jugendlicher, der später wegen des Mordes an seiner Familie zum Tode verurteilte wurde, mit einem Hockeyschläger ins Gesicht. Wilbur wurde zwar nicht dramatisch verletzt, doch traumatisierte ihn der Unfall so, dass er in den nächsten drei Jahren kaum das Haus verließ (dafür aber sehr viel las). Aus Yale wurde nichts, stattdessen begann Wilbur Orville zu unterstützen. Die beiden bauten ihre eigene Druckerpresse und brachten ihre eigene Zeitung heraus, die sich immerhin vier Jahre hielt. Danach packte die Brüder die bicycle craze, die damals im Gange war. Sie eröffneten ihren eigenen Fahrradladen, wo sie auch ihr selbst entworfenes Modell verkauften, das ein ziemlich Erfolg war.

Ihre Leidenschaft für Fliegerei entfachte so richtig ab 1896. Damals erkrankte Orville schwer an Typhus. Wilbur las ihm während seiner Genesung Artikel über den gerade verstorbenen Flugpionier Otto Lilienthal vor. Wohl auch durch ihre Erfahrung im Fahrradgeschäft kamen die Brüder zu der Überzeugung, dass Fliegen möglich ist. Was folgte, waren Jahre unglaublicher Entschlossenheit und Disziplin. Wilbur und Orville lasen alles, was sie zum Thema Luftfahrt in die Finger bekommen konnten und steckten jede freie Minute in die Entwicklung einer "Flugmaschine".

Zunächst bauten sie Gleiter wie ihr Vorbild Lilienthal, die sie - nachdem sie sich bei der nationalen Wetterbehörde informiert hatten - wegen der besonderen Windverhältinisse auf Kitty Hawk, einer Insel vor North Carolina, ausprobierten. Die Tests von 1900, 1901 und 1902 verliefen recht vielversprechend, sodass die Wrights ihren Angestellten Charlie Taylor baten, ihnen einen Motor zu bauen. Am 17. Dezember 1903 war es soweit: Am Strand von Kitty Hawk absolvierte Orville den ersten motorisierten Flug der Menschheitsgeschichte: 12 Sekunden war er in der Luft, er flog 37 Meter weit, direkt über dem Boden, mit einer Geschwindigkeit von knapp elf Stundenkilometern. Doch das war erst der Anfang.

Was David McCullough in seiner Biographie erreicht hat, ist absolut meisterhaft. Die Wright-Brüder war sehr gewissenhafte, ja geradezu asketische Menschen, die sich, allem Nachschein nach, nie auch nur ansatzweise für Frauen interessiert haben. Ihr ganzes Leben nach 1896 drehte sich nur um die Fliegerei. Trotzdem ist McCulloughs Biographie spannend wie ein Krimi, wenn nicht sogar noch spannender. Bei jedem ihrer Versuche auf Kitty Hawk habe ich mitgefiebert, ich habe mich mit ihnen gejubelt, wenn etwas funktioniert hat, ich habe mit ihnen gelitten, wenn sie ihre Modelle buchstäblich in den Sand gesetzt habe. Und ich war geradezu außer mir vor Freude, als Wilbur in Le Mans den ganzen Zweiflern bewies, dass er und Orville keiner Spinner waren, sondern tatsächlich das geschafft haben, was so viele für unmöglich hielten: Dass Menschen fliegen können.

Daneben trägt McCullough eine unglaubliche Menge an Details zusammen, aus Briefen, aus Tagebüchern (vor allem von Milton Wright) und Augenzeugenberichten (der erste große Bericht erschien übrigens in einer Fachzeitschrift für Imkerei, weil alle Journalisten vor Ort die Wrights für Spinner hielten). Obwohl die Ereignisse schon so lange her sind, entsteht so ein sehr plastisches Bild von den Wrights, aber auch von der Zeit, in der lebten. Ja, aufgrund der Detailfülle hat man fast das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Es ist offensichtlich, das McCullough große Zuneigung zu seinen Subjekten hegt, doch er spart auch ihre weniger schönen Seiten nicht aus - etwa, dass Orville den Kontakt zu seiner Schwester nach deren Heirat abgebrochen hat, obwohl sie sich sehr nahe waren und Katharine ihn nach einem schweren Absturz Tag und Nacht gepflegt hat.

The Wright Brothers ist ein fantastisches Werk über zwei Brüder, die gemeinsam, mit einer schier unglaublichen Willenskraft, eine Erfindung gemacht haben, die die Welt verändert hat wie kaum eine andere. Man muss sich das mal vor Augen halten: 1903 fand der erste Flug statt, und schon wenige Jahrzehnte später wurde die Fliegerei selbstverständlich. Heute sind Flugzeuge aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und das alles haben wir zum großen Teil Wilbur und Orville Wright zu verdanken, zwei Fahrradmechaniker aus Ohio, die eine Idee hatten und nicht locker ließen, bis sie diese umgesetzt hatten.

Fazit: Lasst alles stehen und liegen und lest diese wunderbare Biographie über zwei der beeindruckendsten Menschen, die jemals auf dieser Erde gewandelt sind.

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